Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der große Schweiger aus Madrid

- VON ROBERT PETERS

Für Real Madrids Trainer Zidane entscheide­t die Champions League über den weiteren Berufsweg.

MADRID/DÜSSELDORF Zinedine Zidane ist als Spieler Welt- und Europameis­ter geworden. Er hat die Champions League gewonnen und nationale Meistersch­aften in Spanien und Italien gefeiert. Als Trainer gelang ihm das Kunststück, zweimal in Folge in der Champions League zu triumphier­en. Das hat vor ihm noch niemand geschafft. Und doch nörgeln sie an ihm herum, an diesem lebenden Denkmal des Fußballs. Das ist ganz schön undankbar.

Aber von zurücklieg­enden Verdienste­n haben sich die kritischen Fans von Real Madrid noch nie sonderlich beeindruck­en lassen. Sie sind ebenso ungeduldig wie Präsident Florentino Perez. Trainer halten sich im Schnitt nur wenig länger als ein Jahr bei Real. Zidane gehört schon zu den Langzeit-Fußballleh­rern in Madrid. Er behauptet sich immerhin schon zwei Jahre im Amt. Trotzdem geht es im ChampionsL­eague-Achtelfina­le gegen Paris St. Germain um seine berufliche Zukunft. In der Primera Division ist Real nämlich in eine schwere Krise geraten, der Titelverte­idiger der europäisch­en Meisterkla­sse kämpft als Vierter um den Startplatz für die Champions League. Vom Titel redet längst niemand mehr.

Das ruft vor allem jene Kritiker auf den Plan, die dem stillen Franzosen großes taktisches Können absprechen. Sie halten ihn für einen begabten Moderator und netten Kerl, der das Orchester der Stars bei Laune hält. Für den Fußball und die Lösungen auf dem Feld sorge die Mannschaft selbst, glauben sie.

Zidane hält es für unter seiner Würde, da zu widersprec­hen. Derartige Einwände registrier­t er stumm und mit unbewegter Miene. So war er schon als Spieler, nie ein großer Redner, dafür aber einer, der in jeder Mannschaft während des Spiels an den richtigen Rädchen zu drehen verstand. Einer der das Tempo variierte, ein großer Individual­ist und ein demütiger Mannschaft­sspieler zugleich.

Als Führungsfi­gur bei Juventus Turin, bei Real und in der französisc­hen Nationalma­nnschaft wurde er gefeiert, aber auch sehr genau beobachtet. Meistens hat er beides stoisch ertragen. Wie viel Leidenscha­ft, ja Wut in ihm kocht, zeigen Platzverwe­ise in großen Spielen, von denen jener wegen des Kopfstoßes gegen den Italiener Marco Materazzi in der Verlängeru­ng des WM-Finales 2006 der berühmtest­e wurde.

Der Trainer Zidane leistet sich wenige Aussetzer. Er zieht sich eher in sich selbst zurück. Allzu unfreundli­che Nachfragen beantworte­t er mit einem leisen ironischen Lächeln. So hat er es schon früher gehalten, wenn er als Kind algerische­r Einwandere­r in seinen ersten Klubs für sein seltsam klingendes Französisc­h gehänselt oder bei Real für sein Spanisch verspottet wurde. Er tat so, als lasse er es gar nicht an sich heran.

Ob er es im Gespräch mit seinen Spielern ähnlich macht und gelegentli­chen Unwillen aus der Mannschaft mit dem unausgespr­ochenen Hinweis auf die eigene große Klasse als Spieler einfach niederschw­eigt, ist nicht bekannt. Die entscheide­nde Qualität eines außerorden­tlichen Trainers soll ja in der Kommunikat­ionsfähigk­eit bestehen.

Manchmal reicht es da allerdings, einfach nichts zu sagen und zu handeln. Schöne Beispiele sind die kleinen Theaterstü­cke, die an der Außenlinie bei Auswechslu­ngen von Cristiano Ronaldo zu bewundern sind. Während der Superstar so eine Behandlung manchmal nur mit einem lautstarke­n Knurren erträgt, spielt Zidane mit sehr aufrechtem Oberkörper und neutraler Miene den strengen Staatsmann. Das kann er also auch.

Sein Mitteilung­sbedürfnis vor dem Treffen mit den von katarische­n Millionen extrem aufgepeppt­en Parisern am Mittwoch hält sich in Grenzen, öffentlich jedenfalls. „Wir haben dieses Spiel im Kopf“, versichert Zidane. Und er vertraut auf die Selbstheil­ungskräfte im Team. Bislang hat es in den zwei Jahren der Zusammenar­beit in den wichtigen Momenten funktionie­rt wie eine große, gut geölte Maschine aus lauter funkelnden Einzelteil­en. Zidane ist es dabei gelungen, seinen Stars ein gutes Gefühl zu geben und den Nachwuchsl­euten Spielzeit zu verschaffe­n.

Das beste Real Madrid, das aus der zurücklieg­enden ChampionsL­eague-Saison, hat als Mannschaft Vorteile vor Paris St. Germain, das vor allem auf seine Artisten Neymar oder Kylian Mbappé setzt. Zidanes Problem: Auf Knopfdruck lässt sich die Real-Maschine offenbar nicht (mehr) starten. Das zeigten die vielen Stotteranf­älle des Motors in der spanischen Meistersch­aft. Gerade noch rechtzeiti­g gab es am Wochenende einen 5:2-Erfolg über Real Sociedad. „Wir haben viel Entschloss­enheit an den Tag gelegt“, erklärt Zidane, „es war eine gute Vorbereitu­ng.“Das Denkmal hat gesprochen.

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