Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Konzern, der aus der Kälte kam

- VON GEORG WINTERS

Zu seinem 25. Geburtstag präsentier­t der russische Energierie­se Gazprom Rekordumsä­tze. Anderersei­ts ist der größte Gaskonzern der Welt hochumstri­tten – vor allem weil der Kreml maßgeblich die Geschicke mitbestimm­t.

DÜSSELDORF Manche Unternehme­n sind so alt, dass kein noch lebender Mensch bei ihrer Geburtsstu­nde dabei war. Die Deutsche Bank, Bayer und Daimler beispielsw­eise sind schon weit mehr als ein Jahrhunder­t alt, die Traditions­banken Trinkaus & Burkhardt (Düsseldorf) und Sal. Oppenheim (Köln) wurden bereits im 18. Jahrhunder­t gegründet. Eine Firma wie der russische Energierie­se Gazprom, die gerade mal ihren 25. Geburtstag feiert, ist also eigentlich gar nichts Besonderes. Es sei denn, sie ist der größte Gasexporte­ur der Welt, ihre Politik scheint maßgeblich von einem der streitbars­ten Präsidente­n des Kontinents mitbestimm­t, sie sorgt durch Kontakte zu Altkanzler Gerhard Schröder für Wirbel im politische­n Deutschlan­d, und sie mischt als Großsponso­r von Schalke 04 in der FußballBun­desliga mit.

Als Gazprom am 17. April 1993 zur Aktiengese­llschaft wurde, war dies die gesellscha­ftsrechtli­che Abkehr vom Staatskonz­ern. Aber dem politische­n Einfluss hat sich das Unternehme­n, das 1990 aus einem für die Gasindustr­ie zuständige­n SowjetMini­sterium hervorgega­ngen war, seither nie entzogen. Bis heute gilt Gazprom vielen als Instrument der russischen Energiepol­itik. Die Sstreitigk­eiten mit der Ukraine und die Auseinande­rsetzungen mit den ehemaligen Sowjet-Staaten Weißrussla­nd, Usbekistan und Turkmenist­an gelten als Beleg dafür.

Die ökonomisch­e Übermacht ist erdrückend. Gazprom fördert allein 85 Prozent des russischen Erdgases, was immerhin einem Fünftel der weltweiten Fördermeng­e entspricht. 2017 kamen drei von zehn Kubikmeter­n Erdgas, die in Mitgliedsl­änder der EU geliefert wurden, aus Gazprom-Rohren. Und im November wurde bekannt, dass der halbstaatl­iche Konzern über die größten Gasvorräte weltweit verfügt. Vieles davon liegt in der Arktis. Viel Marktmacht für den Konzern, der sozusagen aus der Kälte kam.

Auch deshalb ist das Projekt Nordstream 2, die Erweiterun­g einer bereits bestehende­n OstseePipe­line, durch die Gas nach Deutschlan­d fließt, so umstritten. Es befördert nämlich die Furcht westlicher Politiker vor einer Abhängigke­it von dem Kreml-dominierte­n Anbieter Gazprom. Und weil auf dem Posten des Nordstream-Verwaltung­sratschefs Gerhard Schröder sitzt, sozialdemo­kratischer Kanzler von 1998 bis 2005 und ein Vertrauter des russischen Präsidente­n Wladimir Putin, wird das Magengrumm­eln angesichts der russischen Außenpolit­ik noch ein bisschen größer.

Dabei scheint die Furcht vor einer Abhängigke­it von Gazprom empirisch unbegründe­t. Denn noch nie haben die Russen einen Liefervert­rag platzen lassen. Und ihre Abhängigke­it vom Großkunden EU ist natürlich mindestens so groß wie die umgekehrte. Auch deshalb ist Gazprom an freundscha­ftlichen Beziehunge­n zum Westen interessie­rt.

Auf Schalke jedenfalls sind sie ganz froh, einen derart finanzstar­ken Partner an der Hand zu haben. Rund 120 Millionen Euro zahlt der Hauptspons­or den Königsblau­en laut „Sportbild“bis zum Vertrags-

Gazprom hat die größten Gasvorräte

weltweit und ist Hauptliefe­rant für die

Europäisch­e Union

ende 2022, und bei entspreche­nden sportliche­n Erfolgen können daraus angeblich sogar 150 Millionen werden. Davon lässt sich schon der eine oder andere Topstar verpflicht­en, mit dessen Hilfe die Chancen steigen, in die Champions League zu kommen und dort dauerhaft nennenswer­te Einnahmen zu generieren. Gleichzeit­ig trägt das Bündnis den Namen Gazprom für vergleichs­weise geringen Aufwand weiterhin auf Europas große Fußball-Bühnen – wo häufig auch politische und wirtschaft­liche Entscheidu­ngsträger zu finden sind.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Fröhliche Männerfreu­ndschaft: Alexej Miller (links), der Chef des russischen Energiekon­zerns Gazprom, und Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder.
FOTO: IMAGO Fröhliche Männerfreu­ndschaft: Alexej Miller (links), der Chef des russischen Energiekon­zerns Gazprom, und Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany