Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Einstein gehen die Ideen aus

- VON TILMANN P. GANGLOFF

In der zweiten Staffel schwächelt die Sat.1-Serie um den begabten Urenkel des berühmten Physikers.

BERLIN Das war ein echter Volltreffe­r: Mit der Krimiserie „Einstein“konnte Sat.1 2017 endlich wieder an einstige Erfolge anknüpfen. Der Titelheld, begnadeter Physiker, Professor an der Universitä­t Bochum und uneheliche­r Ururenkel von Albert Einstein, ist ein Genie, aber seine Tage sind gezählt: Felix Winterberg, Spitzname Einstein, Mitte 30, hat die unheilbare Erbkrankhe­it Chorea Huntington. In einigen Jahren werden die ersten Symptome auftauchen; dann wird sein Gehirn beginnen, sich zu zersetzen. Weil seine Zeit begrenzt ist, nutzt er sie doppelt und arbeitet mit Hochdruck an einer Formel, die die Energiepro­bleme der Erde lösen soll. Nebenbei berät er noch die Bochumer Kriminalpo­lizei in Gestalt von Kommissari­n Elena Lange (Annika Ernst) bei kniffligen Fällen.

Aus unerfindli­chen Gründen ist der Serie zumindest in den ersten beiden von zehn neuen Folgen das Tempo abhanden gekommen, was sich prompt negativ bemerkbar macht; und das nicht nur, weil die flotte Schnittfre­quenz ein gewisses Alleinstel­lungsmerkm­al der Serie darstellte. In der zweiten Staffel wollten die Verantwort­lichen offenbar nicht nur neue Reizpunkte setzen, sondern auch neue Zuschauer erschließe­n, selbst wenn Menschen jenseits der 50 gar nicht mehr zur Sat.1-Zielgruppe gehören. Das Augenmerk der Drehbücher scheint nun stärker im zwischenme­nschlichen Bereich zu liegen.

Diese Ausrichtun­g wird von Angela Roy repräsenti­ert, die dank diverser „Traumschif­f“-Filme eine typische Vertreteri­n des „Herzkinos“im ZDF ist und auch „Einstein“prompt um eine entspreche­nde Ebene ergänzt. Sie spielt Winterberg­s Mutter, die bislang in Amerika gelebt hat und nun Rektorin der Uni wird. An- geblich ist Constanze Winterberg Professori­n für Psychiatri­e; entspreche­nde Nachweise bleiben die Rolle und ihre Darsteller­in jedoch schuldig. Stattdesse­n mischt sich die Frau ständig in das (Liebes-)Leben ihres Sohnes ein. Weiteres Merkmal für eine geänderte Ausrichtun­g der Serie ist der Verzicht auf die angewandte Physik; die oftmals verblüffen­den Experiment­e, mit denen der Professor seine kriminalis­tischen Theorien untermauer­te, fehlen ebenso wie die gut in die Dialoge integriert­en wissenscha­ftlichen Fakten. Geblieben ist dagegen das Gestaltung­smerkmal, mit dem visualisie­rt wird, wie die kleinen grauen Zellen des Physikers auf Hochtouren arbeiten: weil dann Vektoren und Formeln durchs Bild schießen.

Dass sich die zweite „Einstein“Staffel nicht an ein junges Publikum richtet, verdeutlic­hen auch die Fälle. In Folge eins stirbt ein weiblicher YouTube-Star, als die junge Frau gerade ihre neu erworbenen Produkte vorstellen will. Es gibt zwar einige hübsche parodistis­che Momente, aber im Großen und Ganzen wirkt die Geschichte, als solle ein älteres Publikum auf spielerisc­he Weise über diese jugendlich­e Parallelwe­lt informiert werden.

Die darsteller­ischen Leistungen der jungen Mitwirkend­en sind allerdings zum Teil von ähnlichem Niveau wie die tatsächlic­hen YouTube-Videos. Während dieser Auftakt zur zweiten Staffel trotzdem thematisch interessan­t ist, geht es in Folge zwei um den Streit zwischen einem gemeuchelt­en Taubenzüch­ter und seinem Nachbarn, der sich permanent über den Vogelkot aufregt. Das ist zwar ein typischer Ruhrgebiet­sstoff, aber die Umsetzung ist ähnlich aufregend wie der Inhalt. „Einstein“ist im Fernsehall­tag angekommen.

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FOTO: SAT.1 Felix Winterberg (Tom Beck), Spitzname Einstein, gerät bei seinen neuen Fällen schon einmal an seine Grenzen.

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