Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

INTERVIEW EVA HÖGL (SPD) „Ich rechne mit einem Vorsprung der Groko-Befürworte­r“

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Die SPD-Fraktionsv­ize über das laufende Mitglieder­votum, Abtreibung­en und Lobbyisten im Bundestag.

Frau Högl, stellt es eine Zäsur dar, dass die AfD erstmals in einer bundesweit­en Meinungsum­frage vor der SPD liegt? HÖGL Solche Umfrageerg­ebnisse ändern sich, sobald wir eine stabile Koalition und Bundesregi­erung bilden und wieder gute Politik machen. Warum glauben Sie, dass die SPD in einer großen Koalition bessere Chancen für mehr Zustimmung hat? HÖGL Wir wollen unsere Politik umsetzen! Der Koalitions­vertrag ist voll mit sozialdemo­kratischen Inhalten, sei es in der Bildungspo­litik, im Bereich Arbeitsmar­kt, für Europa, Bauen und Wohnen und Familie. Das können wir nur durchsetze­n, wenn wir regieren. Am Dienstag startete das Mitglieder­votum. Dem Wahlbrief lagen drei Seiten bei, auf denen der Parteivors­tand für die große Koalition wirbt. Ist das nicht ein Widerspruc­h zum Fairness-Beschluss des Parteitags? HÖGL Der Parteivors­tand hat mit Ausnahme von vier Mitglieder­n für den Koalitions­vertrag gestimmt. Es ist das gute Recht des Parteivors­tandes, die eigene Position mit diesem Brief deutlich zu machen. Ich nehme außerdem wahr, dass die übrige Kommunikat­ion in der Partei, etwa über unsere Zeitung „Vorwärts“oder im Internet, objektiv ist und auch Kritikern wie den Jusos viel Raum lässt. Halten Sie es für denkbar, dass die SPD-Fraktion mit ihrer Mehrheit für die große Koalition ein anderslaut­endes Basisvotum überstimmt? HÖGL Es ist nicht vorstellba­r, dass die SPD-Bundestags­fraktion für eine Koalition stimmt, wenn die Mitglieder das mehrheitli­ch abgelehnt haben. Auch wenn wir kein imperative­s Mandat haben. Wie wird der Mitglieder­entscheid nach Ihrer Prognose ausgehen? HÖGL Ich rechne mit einem knappen Vorsprung der Befürworte­r einer großen Koalition. In Berlin sind bei den Veranstalt­ungen allerdings zwei Drittel kritisch. Die schweigend­e Masse kann man schwer einschät- zen. Übrigens stimmt es nicht, dass es eine Frage von Jung und Alt ist. Gegner und Befürworte­r gibt es in allen Altersgrup­pen. Und eine Minderheit­sregierung schließen Sie aus? HÖGL Diese Option ist nicht realistisc­h. Angela Merkel hat klar gesagt, dass sie keine Minderheit­sregierung will. Waren Sie überrascht, als Sie Ihren Namen auf einer Kabinettsl­iste für das Arbeitsmin­isterium lasen? HÖGL Wir führen im Moment keine Personaldi­skussionen. Nichts ist entschiede­n, auch in meinem Fall nicht. Mehr sage ich dazu nicht. Morgen debattiert der Bundestag darüber, ob Werbung und Informatio­n über Abtreibung weiter unter Strafe stehen soll. Warum sind Sie für eine Abschaffun­g der Strafe? HÖGL Wir haben im SPD-Gesetzentw­urf die Streichung des Paragrafen 219a vorgesehen. Wir wollen, dass Frauen sich objektiv über Schwangers­chaftsabbr­uch informiere­n können und Ärzte sich dadurch nicht strafbar machen. Wenn Ärzte aber dafür aggressiv werben wollen, sollte das weiter verboten bleiben. Teil der Verhandlun­gen war die Einführung eines Lobbyregis­ters. Im Koalitions­vertrag taucht es aber nicht auf. Was ist passiert? HÖGL Die Union hat sich dagegen gesperrt. Warum das so ist, kann ich nicht nachvollzi­ehen. Interessen­vertretung durch Lobbygrupp­en gehört zur Demokratie. Aber wir brauchen ein Lobbyregis­ter für mehr Transparen­z im Bundestag. Sie wollen also daran festhalten? HÖGL Ich werde auf meine Kolleginne­n und Kollegen zugehen, sobald die große Koalition steht, und weiter für ein Lobbyregis­ter werben. Und ich bin zuversicht­lich, dass wir es auch durchsetze­n können. JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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