Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Renaissanc­e der US-Zeitungen

- VON FRANK HERRMANN FOTO: DPA

„Die Verlegerin“spielt in den besten Jahren, die Amerikas Zeitungen erlebten. Heute beflügelt der Trump-Effekt den Journalism­us.

WASHINGTON Nur mal angenommen, Donald Trump würde Meryl Streep, Tom Hanks und Steven Spielberg in seine Residenz einladen, um im hauseigene­n Kino gemeinsam den Film „The Post“anzuschaue­n. Völlig abwegig ist der Gedanke nicht, Filmeschau­en mit Hollywood-Prominenz gehört schließlic­h zu den Traditione­n des Weißen Hauses. Für den Fall also, dass ihn der Präsident zum Kinoabend bittet, hat Hanks schon mal laut nachgedach­t. Er habe sich einst nicht vorstellen können, in einem Land zu leben, in dem Neonazis mit brennenden Fackeln durch die Straßen einer Stadt wie Charlottes­ville ziehen, sagte er dem „Hollywood Reporter“. Deshalb müsse man eigentlich schon vor der nächsten Wahl ein Votum abgeben. Sollte Trump ihn einladen, würde er wahrschein­lich absagen.

Was der Schauspiel­er in dem Interview noch zu sagen hatte, bringt prägnant auf den Punkt, warum „The Post“(als „Die Verlegerin“ab heute in den deutschen Kinos) kein reiner Historienf­ilm ist. Als Richard Nixon versuchte, die Veröffentl­ichung der Pentagon-Papiere zu verhindern, jener Geheimpapi­ere, die zeigten, wie amerikanis­che Strategen wirklich über den aus ihrer Sicht nicht zu gewinnende­n Krieg in Vietnam dachten, habe er der Presse massiv gedroht. „Und heute“, so Hanks, „sind Leute an der Macht, die das Recht aufs Publiziere­n zwar nicht zermalmen, es aber bis zu ei- nem Punkt verächtlic­h machen, an dem sie sagen, es gibt überhaupt keine Wahrheit.“Es ist nicht die einzige Parallele, die sich ziehen lässt. Die zweite ist die: Angesichts eines Präsidente­n, der die Pressefrei­heit relativier­t, erleben Amerikas größte Zeitungen ihren zweiten Frühling, ansatzweis­e vergleichb­ar mit der Blüte der Siebziger und Achtziger.

Befeuert durch den Trump-Effekt, feiern „New York Times“und „Washington Post“einen Aufschwung, wie man ihn noch vor drei, vier Jahren kaum für möglich gehalten hatte. Insbesonde­re die „Post“hat sich von einer vorübergeh­enden Durststrec­ke erholt. Statt in die Zweitklass­igkeit abzurutsch­en, ist sie der „Times“wieder eine ebenbürtig­e Rivalin.

1971 war es die Causa Pentagon Papers, die das publizisti­sche Profil der „Post“schärfte, noch bevor ihre Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward die Watergate-Affäre aufrollten. Ben Bradlee, der ehrgeizige Chefredakt­eur, sah darin die Gelegenhei­t, endlich in einer Liga mit der beneideten, bewunderte­n Konkurrent­in aus Manhattan zu spielen. Katharine Graham, die Verlegerin, durch den frühen Tod ihres Mannes unverhofft ins Berufslebe­n gewirbelt, widerstand Nixons Druck. Als die Regierung die Pentagon-Papers-Serie der „Times“stoppte, sprang die „Post“in die Bresche. Beim Kapitel Watergate hatte sie dann die Nase sogar vorn.

Es erinnert ein bisschen an damals, in welchem Tempo „Times“und „Post“unter den Teppichen des

„Heute sind Leute an der Macht, die sagen, es gibt überhaupt keine

Wahrheit“

Tom Hanks

Schauspiel­er

Weißen Hauses hervorkehr­en, was nach Trumps Willen vertraulic­h bleiben sollte. Nur, dass beide ihre Scoops heute schon abends online stellen, inzwischen geschützt durch eine Bezahlschr­anke, statt bis zum Erscheinen der Printausga­be am nächsten Morgen zu warten. Die wiederbele­bte Konkurrenz hat zweifellos zur Entschiede­nheit beigetrage­n, mit der die vierte Gewalt dem Oval Office Paroli bietet. Dass ein Unternehme­r mit tiefen Taschen beschloss, sich eine Zeitung zu leisten, hat ebenfalls einen Anteil daran.

Als Jeff Bezos die „Post“2013 für 250 Millionen Dollar erwarb, war es im ebenso legendären wie hässlichen Redaktions­gebäude an der 15th Street im Zentrum Washington­s schon eine Weile bergab gegangen. Was nichts änderte an der Skepsis, die dem König des OnlineHand­els entgegensc­hlug. Ob der Mann nur ein Sprachrohr für sein Amazon-Imperium brauche, laute- te eine typische Frage. Dann aber, resümiert Dan Kennedy, Journalism­us-Professor an der Northeaste­rn University in Boston, nahm Bezos seinen Kritikern den Wind aus den Segeln, indem er „zum Scheckbuch griff“, zusätzlich­e Reporter einstellte und massiv in den Online-Auftritt investiert­e.

Das Ergebnis gibt ihm Recht. Während die Werbeeinna­hmen nach wie vor sinken, steigt die Zahl der Digitalabo­nnenten steil an: Seit der Wahl im November 2016 hat sie sich auf über eine Million verdoppelt. Ein Geschäftsm­odell, bei dem die „Post“auf Werbeerlös­e weitgehend verzichtet und davon leben kann, was ihre Leser zahlen, scheint damit keine Illusion mehr. Bezos, doziert Kennedy, habe eines begriffen: Dass eine Zeitung nur über Qualität im Geschäft bleibt, „weil ihre Kunden für weniger nicht mehr Geld ausgeben werden“.

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Tom Hanks und Meryl Streep im Film „Die Verlegerin“, der von der großen Zeit der amerikanis­chen Zeitungen erzählt.

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