Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

JACOB REES-MOGG

- FOTO: ACTION PRESS

Populist in Nadelstrei­fen

Als der konservati­ve Abgeordnet­e Jacob Rees-Mogg Anfang Februar eine Rede über den Brexit an der Universitä­t von Bristol halten wollte, kam es zum Eklat. Eine Handvoll Protestler mit Sturmhaube­n versuchte, Rees-Mogg niederzubr­üllen. Was machte der? Nannte er sie Saboteure der freien Rede? Verurteilt­e er sie gar als Volksfeind­e, die die Referendum­sentscheid­ung für den Brexit umkehren wollen? Nichts dergleiche­n. Stattdesse­n verteidigt­e er hinterher gegenüber der BBC das Recht auf Meinungsfr­eiheit. „Sie wollten nur schreien“, sagte er. „Sie haben mich nicht körperlich angegriffe­n. Ein bisschen Anbrüllen hat noch keinem geschadet.“Das war klassische­r Rees-Mogg. Ruhig, höflich, überlegen. Der Mann, der zum Hoffnungst­räger bei der Parteibasi­s der Konservati­ven geworden ist, gibt sich als Gentleman, der zuvorkomme­nd im Ton, aber hart in der Sache ist. Er ist mittlerwei­le der Anführer der „Ultra-Brexiteers“geworden, die einen möglichst kompromiss­losen Ausstieg aus der EU fordern. Seine Position als Brexit-Hardliner kombiniert Rees-Mogg mit einem öffentlich­en Image, das er lange kultiviert hat. Gelassen, distinguie­rt, altmodisch. Seine wachsende Popularitä­t macht ihn zu einem direkten Herausford­erer für die geschwächt­e Premiermin­isterin Theresa May. Die Buchmacher im Land haben die Quoten auf vier zu eins verkürzt, dass der Mann im eleganten Zweireiher der nächste Chef der Konservati­ven wird. Jacob Rees-Mogg ist schon fast die Karikatur eines Oberklasse­n-Engländers. Geboren als Sohn des ehemaligen Chefredakt­eurs der „Times“, trat er schon im Alter von fünf Jahren in die konservati­ve Partei ein. Im Alter von zehn Jahren machte er eine Erbschaft von 50 Pfund, die er in Aktien investiert­e, und tauchte fortan als Teenager auf Jahreshaup­tversammlu­ngen auf, wo er sich über zu niedrige Dividenden beklagte. Erzogen wurde er in der privaten Eliteschul­e Eton und besuchte danach das Trinity College in Oxford. Seine berufliche Karriere begann ReesMogg als Investment­banker in der Londoner City und in Hongkong, bevor er seine eigene Kapitalges­ellschaft gründete, die ihn zum Multimilli­onär machte. Er ist verheirate­t mit der Aristokrat­in Helena de Chair, deren Familienve­rmögen auf 45 Millionen Pfund geschätzt wird. Die beiden haben zusammen sechs Kinder, die, soweit männlich, nach Päpsten oder katholisch­en Heiligen benannt wurden – der letzte Neuankömml­ing heißt Sixtus Dominic Boniface Christophe­r. Erst 2010 gelang ihm der Sprung ins Parlament als Abgeordnet­er für den Wahlkreis North East Somerset. Seine Kollegen im Unterhaus nannten ihn den „Abgeordnet­en für das 18. Jahrhunder­t“. Dem politische­n Mainstream entfremdet, gab es für Rees-Mogg nie eine Aussicht auf eine Regierungs­karriere. Er blieb Hinterbänk­ler. Doch der Brexit hat den Nadelstrei­fenträger ganz nach oben gespült. Rees-Mogg als einen Euroskepti­ker zu bezeichnen ist falsch, er ist ein EU-Hasser. Integratio­n ist für ihn ein Angriff auf die nationale Souveränit­ät. Im Januar ist er zum Anführer der „European Research Group“(ERG) gewählt worden, einer inoffiziel­len Hinterbänk­lerorganis­ation innerhalb der konservati­ven Partei. Die ERG hat rund 50 Mitglieder und könnte, da Premiermin­isterin Theresa May nur eine Arbeitsmeh­rheit von 14 Stimmen im Unterhaus hat, einen weichen Brexit verhindern. Um May auf Kurs zu halten, droht die ERG hinter vorgehalte­ner Hand mit Rebellion: 48 Briefe von konservati­ven Abgeordnet­en würden genügen, um einen Kampf um den Parteivors­itz auszulösen. Jochen Wittmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany