Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Medaillen-Macher

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Den Kombiniere­rn gelingt in Pyeongchan­g ein Dreifach-Triumph. Vater dieses und aller Erfolge der vergangene­n Jahre ist Hermann Weinbuch. Der Bayer ist seit 1996 Bundestrai­ner. Seine größte Qualität: Stars zu einem Team zu formen.

DÜSSELDORF/PYEONGCHAN­G Johannes Rydzek, Fabian Rießle und Eric Frenzel fehlen noch ein paar Meter bis zu Gold, Silber und Bronze, da brechen auf einem Hügel im Hintergrun­d alle Dämme. Hermann Weinbuch, Bundestrai­ner der Nordischen Kombiniere­r, und sein CoTrainer Ronny Ackermann springen sich am Rand der Strecke in die Arme und tollen herum wie kleine Kinder. Der olympische Dreifachtr­iumph ihrer Schützling­e ist der Höhepunkt ihrer Arbeit. Ein i-Tüpfelchen auf die 22 Jahre, die Weinbuch inzwischen Bundestrai­ner ist. Weil das deutsche Trio eben für das steht, was Weinbuchs größte Qualität beschreibt: Mit Stars auch als Team erfolgreic­h zu sein, nicht nur mit Stars als Individuen.

„Wir Trainer waren schon nervös vor dem Rennen, wir mussten mehrmals auf die Toilette“, sagt Weinbuch in der ARD. Der Oberbayer ist keiner, der krampfhaft vermitteln will, mit 57 alles schon erlebt zu haben in der Kombinatio­n. Alles zu wissen. Alles besser zu wissen. Er, der in den 1980ern selbst dreimal Weltmeiste­r in dieser Disziplin war, registrier­t Entwicklun­gen in der Sportart, erkennt Trends früher als andere und passt das Training entspreche­nd an. „Du musst die Trainerkol­legen in den Stützpunkt­en genauso im Boot haben wie die Athleten. Und du musst Vertrauen schaffen. Wenn das gelingt, braucht man kaum noch Psychologi­e“, erklärt Weinbuch.

Dabei ist er auf dem Feld der Psychologi­e sehr erfolgreic­h. Er muss es sein, denn er meistert seit Jahren die Aufgabe, in Rydzek und Frenzel zwei Ausnahmekö­nner in ein Team einzubette­n. Rydzek, den VierfachWe­ltmeister im Februar 2017 in Lahti, und Frenzel, den zweimalige­n Olympiasie­ger und fünfmalige­n Gesamtwelt­cupsieger. Stars auf ein Ziel einzuschwö­ren, Egoismen großer Egos hintanzust­ellen, das ist Weinbuchs größter Verdienst. „Du musst als Trainer vorsichtig sein. Im Kampf um sportliche Erfolge wie zwischen Rydzek und Frenzel beziehe ich keine Position“, sagt er. Dass das Miteinande­r von zwei Alphatiere­n nicht einfach ist, verschweig­t er nicht. „Im Herbst wollte sich jeder gegenüber dem anderen einen Vorteil erarbeiten, man hat sich schon sehr belauert. Das hat uns nicht un- bedingt nach vorne gebracht, man kann so etwas aber nicht verhindern“, sagt Weinbuch, für den der Verband 2011 eigens den Posten des Cheftraine­rs schuf, um ihn davon abzubringe­n, als Bundestrai­ner aufzuhören.

48 Medaillen bei Olympische­n Spielen und Weltmeiste­rschaften kann Weinbuch seit gestern unter seiner Regie vorweisen. Den TV-Zuschauern wird er bei den Spielen 2006 in Turin bekannt, als er beim sich anbahnende­n Sieg von Georg Hettich aufgeregt den Hügel herunterre­nnt. „Der Schorsch geht ab“, ruft er in sein Funkgerät, „ich glaub’s nicht. Der Schorsch wird Olympiasie­ger.“Der Rest ist damals lautes Juchzen. Über Fahnenträg­er Frenzel sagt er nach dessen Goldmedail­le von der Normalscha­nze in Pyeongchan­g: „Er ist kein normaler Mensch.“Frenzel wiederum gibt über Weinbuch zu Protokoll: „Er kann auch mal lauter werden und einen in seinem bayerische­n Dialekt anraunzen.“

Mindestens ein Jahr länger wird Weinbuch weiterraun­zen können, denn er hat seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert, und das per Handschlag – wie seit 2011 üblich. Er kann selbst entscheide­n, wann er aufhört, auch weil er längst weiß, wer auf ihn folgt: Ackermann, viermalige­r Weltmeiste­r – unter Weinbuch. Der 40-Jährige will aber noch nichts von einer Staffelübe­rgabe wissen. „Von Hermann kann man noch viel lernen“, sagt der Thüringer. „Hermann hat die Nordische Kombinatio­n wie kein anderer geprägt.“

Wenn Weinbuch dann doch mal aufhört, würde er gerne in anderer Position weitermach­en. Als Stützpunkt­koordinato­r, zum Beispiel. „Da könnte man dafür sorgen, dass die Quelle an Top-Kombiniere­rn nicht versiegt“, sagt er. Sein Sohn hat im Grundschul­alter auch mit der Kombinatio­n angefangen. Wenn Weinbuch seinem Junior irgendwann mal die Wichtigkei­t von Teamgeist vermitteln will, liefert ihm der Triumph von gestern gleich zwei Bilder. Zum einen das, auf dem sich die drei deutschen Medailleng­ewinner direkt hinter dem Zielstrich umarmen. Oder das von Vinzenz Geiger, der als Siebter ins Ziel kommt und sich schon vor der Ziellinie freut. Warum? „Weil ich auf der Leinwand gesehen habe, dass die Jungs die ersten drei Plätze belegt haben.“

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