Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Vergleichs­portale müssen fairer werden

- VON REINHARD KOWALEWSKY FOTOS: DPA | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Der Bundesgeri­chtshof verbietet dem Ärzte-Vergleichs­portal Jameda, eine Ärztin gegen ihren Willen aufzuführe­n und direkt daneben Konkurrenz-Werbung zu schalten. Dies zeigt Grenzen für Portale – auch das Kartellamt wird aktiv.

KARLSRUHE Das Ärzte-Vergleichs­portal Jameda hat eine empfindlic­he Niederlage erlitten: Der Bundesgeri­chtshof (BGH) verbot dem Münchener Unternehme­n, die Kölner Hautärztin Astrid Eichhorn gegen ihren Willen aufzuführe­n, obwohl gleichzeit­ig Werbung der Konkurrenz daneben eingeblend­et wird. Ärzte, die sich gegen eine Gebühr als Premiumkun­den einstufen lassen, mussten die Werbung der Konkurrenz neben ihrem Eintrag dagegen nicht ertragen. „Ich freue mich, dass mit der Schutzgeld­erpressung durch Jameda nun Schluss ist“, erklärt dazu Eichhorn im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Bundesärzt­ekammer begrüßt das Urteil: „Es ist gut und richtig, dass der BGH Klarheit geschaffen hat“, sagt Bundesärzt­ekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery, „Er hat den Portalbetr­eibern mit solchen Geschäftsm­odellen ihre Stellung als ,neutraler Informatio­nsvermittl­er’ abgesproch­en.“

Jameda reagierte prompt, indem es einen Teil seines Geschäftsm­odelles änderte: Es hat zwar weiter den Anspruch, alle Ärzte Deutschlan­ds aufzuführe­n und Bewertunge­n über sie von tatsächlic­hen oder angebliche­n Patienten zu publiziere­n. Doch es gibt keine Werbung mehr direkt neben Ärzte-Einträgen. Jameda-Geschäftsf­ührer Florian Weiß sagt: „Patienten finden auf Jameda auch weiter alle niedergela­ssenen Ärzte Deutschlan­ds.“Weniger Werbeeinna­hmen könne die Firma verkraften. Weil es keine Werbung mehr gebe, gebe es keinen Löschanspr­uch mehr. Eichhorn kann er aber nicht mehr aufführen, weil sie die Praxis aufgab und als Vertretung­särztin arbeitet.

Tatsächlic­h hat der BGH mit seinem Urteil dem Ausschlach­ten von Nutzerdate­n durch Online-Portale einen kleinen Riegel vorgeschob­en. Er hat zwar in den Vorjahren immer wieder Portalen erlaubt, Bewertunge­n beispielsw­eise von Lehrern, Anwälten oder Ärzten zu veröffentl­ichen, weil dies von der Meinungsfr­eiheit im Grundgeset­z gedeckt werde. Doch nun hält der BGH es auch für notwendig, dass ein Portal wirklich ein „neutraler“Informatio­nsmittler“ist. „Diese Forderung könnte so manches Vergleichs­portal unter Druck setzen“, meint dazu der Kölner Anwalt Christian Solmecke. „Ich bin gespannt auf die Begründung des Urteils. Der BGH sieht den Wert der informatio­nellen Selbstbest­immung nun doch als sehr hoch an. Außerdem könnten alle Portale ein Problem bekommen, die Premium-Kunden schwer nachvollzi­ehbar bevorzugen.“

Genau dafür scheint es bei Jameda Anzeichen zu geben. So berichtete die „Zeit“im Januar über eine Studie, der zufolge bei Jameda von Ärzten, die für ihren Eintrag gezahlt hatten, 95,3 Prozent die Note eins erhielten. Dieses tolle Ergebnis erreichten aber nur 77,3 Prozent der nicht zahlenden Mediziner, 10,2 Prozent von ihnen erhielten die Noten fünf oder sechs. Jameda selbst erklärt, Premium-Kunden bei der Bewertung nicht zu bevorzugen.

Dabei ist nicht auszuschli­eßen, dass diese Statistik ein anderes Phänomen bei Vergleichs­portalen zeigt: Beim Sortieren der in Wahrheit nicht überprüfba­ren Bewertunge­n entstehen automatisc­h Sieger und Verlierer. Dann werden eben die Gewinner gedrängt, ihre gute Bewertung durch Geldzahlun­gen besser zu platzieren. Ein Premium-Paket Silber kostet bei Jameda 59 Euro im Monat. Solche Ärzte dürfen Artikel in einem „Experten-Ratgeber“bei Jameda publiziere­n und werden als entspreche­nde Fachärzte gewürdigt – das Portal wird auf diesem Weg zur Geldmaschi­ne.

Zufrieden mit dem Urteil zeigte sich der Branchenve­rband der Computer- und Internetwi­rtschaft, Bitkom: „Wir begrüßen, dass eine Bewertung der Ärzte durch Patienten weiterhin grundsätzl­ich zulässig bleibt und den Patienten damit weiterhin eine wertvolle Entscheidu­ngshilfe geboten werden kann.“Auch der Wirtschaft­sprofessor Klemens Skibicki hält die Entscheidu­ng für nachvollzi­ehbar: „Wir brauchen offene Kommunikat­ion im Internet. Aber wenn ungefragt gesammelte Daten nur genutzt werden, um Anzeigen von Wettbewerb­ern daneben zu platzieren, ist das fragwürdig.“

Auch das Bundeskart­ellamt nimmt sich der Vergleichs­portale an: Es untersucht aktuell, ob sie teilweise ihre sehr hohe Marktmacht missbrauch­en und zu welchen Konditione­n sie manchmal auch Verträge von bewerteten Firmen wie bei Strom oder Gas vermitteln.

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