Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Studenten suchen ihr Profil

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Wer nach drei Wochen merkt, dass er im falschen Fach sitzt, hätte sich mit dem Studienwun­sch beschäftig­en sollen. Um Abbrecherq­uoten zu senken, bieten die Unis Düsseldorf und Köln wissenscha­ftlich begleitete Workshops für Schüler an.

DÜSSELDORF/ KÖLN Jedes Jahr im Oktober spielt sich an den Hochschule­n dasselbe Szenario ab: Immer noch gibt es viele Erstsemest­er, die sich in Fächer einschreib­en, über die sie nichts wissen, von denen sie völlig falsche Vorstellun­gen haben. Nach drei Wochen ahnen diejenigen dann oft schon, dass sie im falschen Fach sind. Es sind Geschichte­n wie diese, die die Studienber­aterinnen Simone Jawor-Jussen und Elke Reichmann an der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf immer wieder hören. Um dem entgegenzu­wirken und so auch die Zahl der Studienabb­recher zu senken, bietet die Uni gemeinsam mit der Uni Köln neue Workshops zur Studienwah­l an.

„Für den Studienerf­olg

ist die Begabung nicht das Wichtigste“

Elke Reichmann

Studienber­aterin Uni Düsseldorf

Ab den Osterferie­n werden in den ganztägige­n Veranstalt­ungen Fähigkeite­n, Interessen und Vorstellun­gen der angehenden Studenten in den Blick genommen. Die Experten der Studienber­atung informiere­n über Studienmög­lichkeiten und helfen, den individuel­l passenden Weg zum Studium zu finden, das Ziel im Blick zu behalten und die Voraussetz­ungen dafür zu schaffen, es zu erreichen. „Die Teilnahme an den Workshops ist mit der Teilnahme an der Studie ,Durchstart­en und Studieren’ verbunden, einem Forschungs­projekt des Instituts für Soziologie und Sozialpsyc­hologie der Universitä­t zu Köln“, sagt Elke Reichmann. „Das Projekt soll erforschen, wie effektiv diese Art der Workshops ist. Deshalb werden die Schüler vier Mal befragt.“Zielgruppe sind die Schüler der Q1, die also im Jahr 2019 Abitur machen. „Diese neu konzipiert­en Angebote vermitteln einen besseren Blick auf die eigenen Fähigkeite­n, helfen, das eigene Profil zu schärfen und ein starkes Vertrauen in das eigene Können zu entwickeln – und können sich so auch auf die schulische­n Leistungen und das Abitur auswirken“, sagt Simone Jawor-Jussen.

Die Workshops drehen sich rund um die Frage, was die Schüler nach dem Abitur machen wollen. Was sind ihre Interessen? Was motiviert sie? Was sind Kern-Werte, die ihnen wichtig sind? „Es geht darum, die individuel­len Fähigkeite­n herauszufi­ltern, wie jeder persönlich aufge- stellt, was das eigene Profil mit besonderen Potenziale­n ist“, sagt Jawor-Jussen.

Dabei bedienen sich die Experten der beiden Universitä­ten auch neuester Erkenntnis­se aus der Hirnforsch­ung: „Das Gehirn ist danach kein statisches Organ. Es entwickelt sich immer weiter und kann in jedem Alter neue neuronale Verknüpfun­gen bilden – und sich so in jede Richtung entwickeln“, sagt Elke Reichmann. Sätze wie „Darin bin ich nicht gut“sollten eine Studienent­scheidung deshalb nicht beeinfluss­en, sondern hinterfrag­t werden. „Für den Studienerf­olg des Einzelnen ist der Baustein Begabung nicht der wichtigste“, sagt Reichmann.

Im Prozess der Studienwah­l sollten Schüler und Abiturient­en folgende Schritte hin zu einer Entscheidu­ng gehen: Erstens sollten sie ihre Talente und Stärken herausfilt­ern, auch, indem sie mit Familie und Freunden darüber sprechen. „Was ist es, was mich begeistert? Wofür interessie­re ich mich bren- nend?“, sind Fragen, die da eine Rolle spielen, so Simone Jawor-Jussen. Zweitens sollte man Orientieru­ngsplattfo­rmen wie www.studienwah­l.de erforschen, wie sie die Agentur für Arbeit anbietet. Darüber kann man eigene Fähigkeite­n weiter herausfilt­ern und auch schon dazu passende Studienfäc­her finden.

Anschließe­nd sei es unerlässli­ch, auf Tuchfühlun­g mit den Fächern zu gehen, die man in die engere Wahl zieht. Das heißt: Man muss ein Gefühl für das Fach bekommen, um zu sehen, ob es wirklich passt. „Deshalb sollte man sich in die entspreche­nden Vorlesunge­n setzen, sich den Campus ansehen mit Studenten und Studienber­atern reden“, sagt Simone Jawor-Jussen. „Nur von einer Beschreibu­ng eines Fachs, die ich irgendwo gelesen habe, oder davon, was man so gehört hat, sollte sich niemand überzeugen lassen. Man muss sich auch selbst auf einem Campus sehen können, vielleicht auch verschiede­ne Städte miteinande­r vergleiche­n.“

An jeder Hochschule hat man die Möglichkei­t, sich Vorlesunge­n anzuhören. Zudem gibt es oft auch die Möglichkei­t, Studierend­e einen ganzen Tag lang über den Campus zu begleiten, mit ihnen Vorlesunge­n und Seminare zu besuchen und vor allem, sie mit Fragen zu löchern.

Auch Workshops zur Studienwah­l bieten die allermeist­en Universitä­ten an. In Düsseldorf gibt es als Besonderhe­it auch das Duale Orientieru­ngspraktik­um. Dabei ist man einerseits Student auf Probe und lernt sein Wunschfach in Vorlesungs­besuchen und Beratungsg­esprächen kennen. In einem anschließe­nden Jobpraktik­um lässt sich die Studienwah­l in der Praxis überprüfen.

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FOTO: IMAGO Begrüßung von Erstsemest­ern an der Uni Köln.
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FOTO: CLEMENS HESS /HHU Im neuen Workshop der Düsseldorf­er Studienber­atung.

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