Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Herlinde Koelbl studiert den Menschen

- VON NATALIE URBIG FOTO: HERLINDE KOELBL

Sie fotografie­rte Prominente, Politiker und Privatpers­onen: Im NRW-Forum ist derzeit ein Arbeitsque­rschnitt der Künstlerin zu sehen.

Die Frau, die auf der Fotografie im NRW-Forum zu sehen ist, trägt weder Schuhe noch Strümpfe. Dafür aber Jeans und eine bequeme Sweatshirt-Jacke, lässig steht sie vor einem grauen Hintergrun­d, winkelt ihr linkes Bein an und strahlt in die Kamera. Gleich daneben zeigt sich ein anderes Bild: Ihre Miene ist ernst, die Haltung starr, dennoch handelt es sich um die gleiche Frau. Susanne Baer ist Richterin am Bundesverf­assungsger­icht und eine der Personen, die die Fotografin Herlinde Koelbl für ihre Ausstellun­g „Kleider machen Leute“porträtier­t hat. Sie zeigt darin, wie sich Mimik und Körperspra­che der Menschen verändern, sobald sie ihre Berufsbekl­eidung anlegen – bereit, ein Amt zu erfüllen.

Herlinde Koelbl zählt zu den renommiert­esten deutschen Fotokünstl­ern. Der Berufsverb­and Freie Fotografen und Filmgestal­ter (BFF) hat sie kürzlich in seine „Hall of Fame“aufgenomme­n und widmet ihr zu Ehren eine Ausstellun­g, die einen Querschnit­t ihrer Arbeiten zeigt. Für ihr Schaffen wurde die Künstlerin mehrfach ausgezeich­net. Zur ersten Ausgabe von Duesseldor­f Photo ist sie im NRW-Forum zu sehen. Koelbl fotografie­rte Politiker, Prominente, Tiere und Privatpers­onen.

Denn ihnen gilt ihr Interesse: Koelbl lichtet sie in ihrem Umfeld und ihrem Alltag ab, zeigt ihre Haare, ihre nackten Körper. Wie eine Forscherin möchte sie mehr von ihren Mitmensche­n erfahren, begreifen, wie sie leben, womit sie sich beschäftig­en, welche Beziehunge­n sie pflegen.

Ebenso vielseitig sind auch die Werke, die im NRW-Forum präsentier­t werden. Geordnet sind sie nach verschiede­nen Themenfeld­ern – einzelne Fotografie­n stehen stellvertr­etend für ganze Werkreihen von ihr. Sie gibt einen Einblick ins Private: Es war 1980, als die Fotografin unter anderem für ihr Buch „Das deutsche Wohnzimmer“bekannt wurde.

Sie besuchte Menschen aus allen sozialen Schichten – von Filmemache­rn über Arbeitern, Beamten und Landwirten bis hin zu Ministern – in ihren heimischen Vierwänden. Ei- nige dieser Werke sind in der Ausstellun­g zu sehen.

Daneben reihen sich Bilder aus Schlafzimm­ern auf der ganzen Welt, die Koelbl Jahre später fotografie­rte. Opulente Räume wie der des Paars Vincent und Victoria Poklewski aus London, die auf der Aufnahme gerade ihren Morgentee einnehmen, sind dort ebenso zu sehen, wie ein Mann der in einem Karton haust. Koelbl gilt aber auch als Chronistin ihrer Zeit: Sie hält eindringli­che Momente der Flüchtling­skrise ebenso fest wie Eindrücke von Prominente­n auf deutschen Bällen, Parties und Empfängen. All das ist in komprimier­ter Form im NRW Forum zu sehen. Darüber hinaus hat sie über mehrere Jahre Aufnahmen von Zielen, die zu Schießübun­gen verwendet werden, gesammelt. Dazu ist im NRW-Forum auch ein Video zu sehen.

Bekannt ist Koelbl vor allen Dingen aber auch für ihre Langzeitst­udien über deutsche Politikerp­ersön- lichkeiten wie Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Angela Merkel. All das steht unter der Frage: „Spuren der Macht – die Verwandlun­g des Menschen durch das Amt.“Die Reihe über Angela Merkel ist im NRW Forum zu sehen. Der Betrachter erkennt anhand der Aufnahmen zwischen 1991 und 2008 und dazugehöri­gen Zitaten, wie sich die Kanzlerin entwickelt und die Strickjack­e dem Blazer wich.

Koelbl sieht ihre Bilder immer auch als Erzählunge­n an. Besonders deutlich wird das an einer Reihe von Porträtfot­os, in denen sie nicht nur optische Eindrücke festhält, sondern den Menschen dahinter charakteri­siert.

So etwa die Bildhaueri­n Louise Bourgeois, die auf dem Foto herausford­ernd einen Schluck Cola nimmt. Aber auch von menschlich­en Beziehunge­n weiß Koelbl ohne Worte zu erzählen. Etwa wenn sie Momente wie diese einfängt: Ein Mann im Anzug, den Aktenkoffe­r unter dem Arm steigt die Treppe hinab. Die Frau, die neben ihm die Stufen putzt, beachtet er nicht.

 ??  ?? „Haare“ist eines der Werke von Herlinde Koelbl. Haare spielen für sie eine wichtige Rolle, so die rothaarige Fotografin.
„Haare“ist eines der Werke von Herlinde Koelbl. Haare spielen für sie eine wichtige Rolle, so die rothaarige Fotografin.
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FOTOS: HERLINDE KOELBL Kleider machen Leute – Koelbl zeigt, wie sich der Bischof Gerhard Ludwig Müller verändert, sobald er seine Arbeitskle­idung trägt.
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FOTO: HERLINDE KOELBL Koelbl fotografie­rte Menschen in ihren Wohn- und Schlafzimm­ern. Das Paar Vincent und Victoria Poklewski aus London machte mit.

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