Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Herlinde Koelbl studiert den Menschen
Sie fotografierte Prominente, Politiker und Privatpersonen: Im NRW-Forum ist derzeit ein Arbeitsquerschnitt der Künstlerin zu sehen.
Die Frau, die auf der Fotografie im NRW-Forum zu sehen ist, trägt weder Schuhe noch Strümpfe. Dafür aber Jeans und eine bequeme Sweatshirt-Jacke, lässig steht sie vor einem grauen Hintergrund, winkelt ihr linkes Bein an und strahlt in die Kamera. Gleich daneben zeigt sich ein anderes Bild: Ihre Miene ist ernst, die Haltung starr, dennoch handelt es sich um die gleiche Frau. Susanne Baer ist Richterin am Bundesverfassungsgericht und eine der Personen, die die Fotografin Herlinde Koelbl für ihre Ausstellung „Kleider machen Leute“porträtiert hat. Sie zeigt darin, wie sich Mimik und Körpersprache der Menschen verändern, sobald sie ihre Berufsbekleidung anlegen – bereit, ein Amt zu erfüllen.
Herlinde Koelbl zählt zu den renommiertesten deutschen Fotokünstlern. Der Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter (BFF) hat sie kürzlich in seine „Hall of Fame“aufgenommen und widmet ihr zu Ehren eine Ausstellung, die einen Querschnitt ihrer Arbeiten zeigt. Für ihr Schaffen wurde die Künstlerin mehrfach ausgezeichnet. Zur ersten Ausgabe von Duesseldorf Photo ist sie im NRW-Forum zu sehen. Koelbl fotografierte Politiker, Prominente, Tiere und Privatpersonen.
Denn ihnen gilt ihr Interesse: Koelbl lichtet sie in ihrem Umfeld und ihrem Alltag ab, zeigt ihre Haare, ihre nackten Körper. Wie eine Forscherin möchte sie mehr von ihren Mitmenschen erfahren, begreifen, wie sie leben, womit sie sich beschäftigen, welche Beziehungen sie pflegen.
Ebenso vielseitig sind auch die Werke, die im NRW-Forum präsentiert werden. Geordnet sind sie nach verschiedenen Themenfeldern – einzelne Fotografien stehen stellvertretend für ganze Werkreihen von ihr. Sie gibt einen Einblick ins Private: Es war 1980, als die Fotografin unter anderem für ihr Buch „Das deutsche Wohnzimmer“bekannt wurde.
Sie besuchte Menschen aus allen sozialen Schichten – von Filmemachern über Arbeitern, Beamten und Landwirten bis hin zu Ministern – in ihren heimischen Vierwänden. Ei- nige dieser Werke sind in der Ausstellung zu sehen.
Daneben reihen sich Bilder aus Schlafzimmern auf der ganzen Welt, die Koelbl Jahre später fotografierte. Opulente Räume wie der des Paars Vincent und Victoria Poklewski aus London, die auf der Aufnahme gerade ihren Morgentee einnehmen, sind dort ebenso zu sehen, wie ein Mann der in einem Karton haust. Koelbl gilt aber auch als Chronistin ihrer Zeit: Sie hält eindringliche Momente der Flüchtlingskrise ebenso fest wie Eindrücke von Prominenten auf deutschen Bällen, Parties und Empfängen. All das ist in komprimierter Form im NRW Forum zu sehen. Darüber hinaus hat sie über mehrere Jahre Aufnahmen von Zielen, die zu Schießübungen verwendet werden, gesammelt. Dazu ist im NRW-Forum auch ein Video zu sehen.
Bekannt ist Koelbl vor allen Dingen aber auch für ihre Langzeitstudien über deutsche Politikerpersön- lichkeiten wie Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Angela Merkel. All das steht unter der Frage: „Spuren der Macht – die Verwandlung des Menschen durch das Amt.“Die Reihe über Angela Merkel ist im NRW Forum zu sehen. Der Betrachter erkennt anhand der Aufnahmen zwischen 1991 und 2008 und dazugehörigen Zitaten, wie sich die Kanzlerin entwickelt und die Strickjacke dem Blazer wich.
Koelbl sieht ihre Bilder immer auch als Erzählungen an. Besonders deutlich wird das an einer Reihe von Porträtfotos, in denen sie nicht nur optische Eindrücke festhält, sondern den Menschen dahinter charakterisiert.
So etwa die Bildhauerin Louise Bourgeois, die auf dem Foto herausfordernd einen Schluck Cola nimmt. Aber auch von menschlichen Beziehungen weiß Koelbl ohne Worte zu erzählen. Etwa wenn sie Momente wie diese einfängt: Ein Mann im Anzug, den Aktenkoffer unter dem Arm steigt die Treppe hinab. Die Frau, die neben ihm die Stufen putzt, beachtet er nicht.