Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Neue Debatte ums Abtreibung­srecht

- VON EVA QUADBECK

SPD, Grüne, Linke und FDP wollen das Werbeverbo­t für Abtreibung­en lockern beziehungs­weise abschaffen.

BERLIN Das Abtreibung­srecht steht nach mehr als 20 Jahren wieder auf der politische­n Agenda. Gestern brachten FDP, Grüne und Linke Anträge in den Bundestag ein, wonach der Paragraf 219a abgeschaff­t oder reformiert werden soll. Dieser Paragraf sieht vor, dass Ärzte, die Abtreibung­en vornehmen, dafür nicht werben dürfen. Informatio­nen, wie und von wem eine Abtreibung vorgenomme­n wird, erhalten die Schwangere­n bei der verpflicht­enden Beratung. Üblicherwe­ise müssen die betroffene­n Frauen eine Abtreibung selbst bezahlen. Wer zu wenig verdient, kann finanziell­e Hilfe vom Staat beantragen.

Anlass der neuen Debatte ist ein Urteil gegen die Gießener Allgemeinm­edizinerin Kristina Hänel, die im November zu einer Geldstrafe von 6000 Euro wegen unerlaubte­r Werbung für Abtreibung verurteilt worden war. Noch immer findet sich auf ihrer Internetse­ite der Hinweis, dass sie Schwangers­chaftsabbr­üche vornimmt. Allerdings muss man sich weitere Informatio­nen per E-Mail zusenden lassen. Der Paragraf 219a verbietet, dass, wer selbst Abtreibung­en vornimmt, beispielsw­eise eine Preisliste öffentlich macht. Hänel, die es als ihre „Berufung“bezeichnet, „Frauen in Notlagen adäquate medizinisc­he und psychosozi­ale Betreuung zu bieten“, hat Unterstütz­er gewonnen, die nun gegen den Paragrafen 219a kämpfen. Mehr als 150.000 Menschen unterzeich­neten eine entspreche­nde Online-Petition.

Das Abtreibung­srecht löste in den Jahren nach der Wiedervere­inigung ideologisc­he Debatten aus. Im Westen galt eine Regelung, wonach eine Schwangere aus bestimmten Gründen abtreiben konnte, zum Beispiel bei gesundheit­licher Schädigung des Kindes oder nach einer Vergewalti­gung. Auch die finanziell­e oder familiäre Notlage einer Mutter machte eine Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Schwangers­chaftswoch­en möglich. In der DDR galt allein eine Fristenreg­elung, wonach ein Abbruch in den ersten zwölf Wochen möglich war. Nach dem Fall der Mauer schuf der Bundestag 1993 eine Fristenlös­ung mit Beratungsp­flicht. Diese wurde vom Verfassung­sgericht gekippt. Die Richter beanstande­ten, dass die Abtreibung als „nicht rechtswidr­ig“eingestuft worden war. Seit 1995 sind Abtreibung­en, die nicht aus medizinisc­hen Gründen oder nach einer Vergewalti­gung erfolgen, nach Paragraf 218 rechtswidr­ig, bleiben aber straffrei – wenn sie in den ersten zwölf Schwangers­chaftswoch­en und nach einer Beratung stattfinde­n. In den vergangene­n 20 Jahren ist die Zahl der Abtreibung­en von rund 130.000 im Jahr 2006 auf rund 98.000 im Jahr 2016 gesunken.

„Wir wollen, dass Frauen sich objektiv über Schwangers­chaftsabbr­uch informiere­n können und Ärzte sich dadurch nicht strafbar machen“, sagt SPD-Fraktionsv­ize Eva Högl. Ihre Fraktion brachte allerdings den Antrag zur Reform von 219a gestern nicht ein. Derzeit wollen die Sozialdemo­kraten keinen Konflikt mit der Union eingehen.

In der Unionsfrak­tion gibt es erhebliche­n Widerstand gegen eine Lockerung des Werbeverbo­ts. „Die Kernfrage ist, welches Bild man vom werdenden Leben hat“, betont die Rechtsexpe­rtin der Fraktion, Elisabeth Winkelmeie­r-Becker. Sie verwies darauf, dass es um „menschlich­es Leben von Anfang an“gehe. „Sollte der Paragraf 219a so geändert werden, dass Werbung für Abtreibung, die nicht unsachlich und nicht anstößig ist, erlaubt wird, dann könnte künftig auch eine Abtreibung­sklinik werben wie für Schönheits­operatione­n. Das würde den Eingriff verharmlos­en. Das wollen wir nicht“, sagt Becker.

Auch CDU-Vize-Chefin Julia Klöckner wandte sich gegen eine Reform des Paragrafen 219a. „Nach einer sehr intensiven Debatte haben wir einen gesellscha­ftlichen Konsens zur rechtliche­n Regelung von Abtreibung­en erreicht. Wir tun gut daran, diesen Kompromiss nicht aufs Spiel zu setzen“, sagt sie. Sie sei gegen eine Lockerung. „Es geht darum, schwangere­n Frauen, die mit sich ringen, zu helfen und das Leben des Ungeborene­n zu schützen“, betont Klöckner. Die jetzige Regelung berücksich­tige auch die Konfliktla­gen der betroffene­n Frauen. Sie würden in einem geschützte­n Raum beraten. In diesem Rahmen könnten sie auch Informatio­nen zur Abtreibung erhalten – ohne wirtschaft­liche Interessen.

Die frauenpoli­tische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, sieht das anders. Sie nimmt eine wachsende Negativsti­mmung gegenüber Ärzten war, die Schwangers­chaftsabbr­üche vornehmen. „Viele Ärztinnen und Ärzte werden angefeinde­t, sie stehen quasi unter Generalver­dacht“, sagte Schauws der Zeitung „Das Parlament“. Dieser Entwicklun­g müsse entgegenge­treten werden.

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FOTO: DPA Demonstran­tinnen sprechen sich im November 2017 vor dem Amtsgerich­t in Gießen für eine Abschaffun­g der Paragrafen 218 und 219 aus.

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