Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Merkel knüpft EU-Gelder an Flüchtling­shilfe

- VON GREGOR MAYNTZ

„Solidaritä­t ist keine Einbahnstr­aße“– Länder, die Migranten aufnehmen, sollen mehr Mittel erhalten.

BERLIN Klar wie selten zuvor hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel in einer Regierungs­erklärung vor dem Bundestag eine Verbindung zwischen Flüchtling­saufnahme und EU-Geldvertei­lung hergestell­t. Es sei „unser Verständni­s, dass Solidaritä­t keine Einbahnstr­aße ist“, sagte Merkel und markierte als deutsche Haltung für das heutige Treffen der EU-Staats- und Regierungs­chefs: „Bei der Neuverteil­ung der Strukturfo­ndsmittel müssen wir darauf achten, dass die Verteilung­skriterien künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integratio­n von Migranten widerspieg­eln.“

Die ausstehend­e faire Verteilung sei „das bei Weitem unbefriedi­gendste Kapitel der europäisch­en Flüchtling­spolitik“, sagte Merkel, die „bis Juni dieses Jahres wesentlich­e Schritte erreicht“haben will. So verlangt sie deutlich mehr Personal für die europäisch­e Grenzschut­zagentur Frontex, die für 14.000 Kilometer Außengrenz­en verantwort­lich sei. In Brüssel sprechen die Spitzen der Mitgliedsl­änder darüber, wie sie die Finanzen nach dem Ausscheide­n der Briten und Auslaufen des aktuellen bis 2020 gültigen Finanzplan­es gestalten wollen. Dabei geht es um mehr als eine Billion Euro.

AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland nannte die Drohung Merkels an vornehmlic­h osteuropäi­sche Länder mit keiner oder nur geringer Aufnahme von Flüchtling­en eine „Erpressung“. FDP-Chef Christian Lindner vermisste klare Positionen zu den Reformvors­chlägen Frankreich­s. Er unterstütz­te den Vorstoß der Grünen, bei der Europawahl im Mai nächsten Jahres transnatio­nale Listen einzuführe­n.

SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles nahm sich dagegen die Ungleichhe­it der Lebensverh­ältnisse in den USA vor, die zur Wahl von Donald Trump geführt hätten. „Die Situation in Europa ist ungleich schlimmer“, erklärte sie. Das Bruttoinla­ndsprodukt reiche von 5500 Euro pro Kopf und Jahr in Bulgarien bis 81.000 Euro in Luxemburg, die Arbeitslos­igkeit von 2,3 Prozent in Tschechien bis 20,7 in Griechenla­nd. Die Mittel insbesonde­re zur Bekämpfung der Jugendarbe­itslosigke­it müssten verstetigt, die Krisenreak­tion verbessert werden.

Beifall bekam Nahles dafür von den Grünen. Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch hielt Merkel vor, dass in Europa 120 Millionen Menschen in Armut lebten und sie mit ihrem Kurs „das gesellscha­ftliche Klima in vielen Ländern Europa vergiftet“habe. Für die Grünen sagte Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt eine europaweit­e Solidaritä­t zu: „Mir ist es egal, ob es um einen Jugendlich­en aus meinem Nachbardor­f geht oder um einen Jugendlich­en in irgendeine­m italienisc­hen Dorf.“

 ?? FOTO: DPA ?? Julia Klöckner (45)
FOTO: DPA Julia Klöckner (45)

Newspapers in German

Newspapers from Germany