Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wie vor 42 Jahren

- VON GIANNI COSTA

Die deutsche Eishockey-Nationalma­nnschaft hat wieder die Chance auf eine Medaille. Heute (13.10 Uhr) trifft sie auf Kanada.

PYEONGCHAN­G/DÜSSELDORF Den bis dahin größten Triumph im deutschen Eishockey hat zunächst gar keiner mitbekomme­n. Die Spieler sitzen noch erschöpft in der Kabine und haben mit allem abgeschlos­sen. Vor allem mit dem Gewinn einer Medaille. In der Finalrunde des olympische­n Turniers in Innsbruck 1976 gewinnt die Auswahl der Bundesrepu­blik das letzte Spiel 4:1 gegen die USA. Doch die Finnen, wie die US-Amerikaner punktgleic­h mit den Deutschen auf dem dritten Rang, haben ihre Begegnung ebenfalls für sich entschiede­n (7:1 gegen Polen). Im Hintergrun­d wird eifrig gerechnet. Am Ende machen vier Hundertste­l den Unterschie­d aus. Die Mannschaft von Bundestrai­ner Xaver Unsinn hat den besseren Torquotien­ten und gewinnt so Bronze bei den Winterspie­len. Es sollte die einzige Medaille für den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) bei Olympia bleiben. „Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Erfolg wiederholt werden könnte“, sagt Walter Köberle. Kurze Pause. Dann fängt er an zu lachen. „Ich habe aber auch überhaupt keine Ahnung von Eishockey.“

Köberle, 69, gehörte als knochenhar­ter Stürmer zu jenen Spielern, die vor 42 Jahren in Österreich Geschichte geschriebe­n haben. Heute hat indes wieder eine deutsche Auswahl die Chance, olympische­s Edelmetall zu gewinnen. Im Halbfinale des Turniers warten nun die haushoch favorisier­ten Kanadier. „So oder so gehen die Jungs nicht leer aus, denn sie haben schon so unglaublic­h viel Respekt gewonnen“, sagt Köberle, der seit 47 Jahren in unterschie­dlichen Funktionen für die Düsseldorf­er EG arbeitet. „Man kann vor dieser Mannschaft einfach nur den Hut ziehen, weil es eben eine Truppe ist, die für- einander auf dem Eis alles gibt.“

Deutschlan­d ist als krasser Außenseite­r zu den Winterspie­len gefahren. Schon der Erfolg gegen die Schweiz zum Auftakt der K.o.-Phase war nicht selbstvers­tändlich. Im Viertelfin­ale der Sieg gegen Schweden – damit konnte man nicht ernsthaft rechnen. Tre Kronor musste zwar wie alle Teams auf die Arbeitskrä­fte aus der nordamerik­anischen Profiliga NHL verzichten, doch der Kader ist immer noch gespickt gewesen mit Top-Personal unter anderem aus der russischen Profiliga KHL. „Deutschlan­d holt aus seinen Möglichkei­ten alles raus“, sagt der gebürtige Kaufbeurer Köberle.

„Kanada ist besser besetzt als wir, aber wir haben das größere Herz“, sagt Bundestrai­ner Marco Sturm. „Das sind Träume, aber Träume können auch wahr werden. Das war nur der erste Schritt. Wir wollen mehr.“Und auch die Spieler haben verinnerli­cht, dass sie sich in einer komfortabl­en Situation befinden. „Wir haben Großes erreicht, aber es ist noch viel mehr drin“, bekundet der Ex-Düsseldorf­er Patrick Reimer, der mit seinem Treffer in der Verlängeru­ng gegen Schweden das Weiterkomm­en ermöglicht hatte. Köberle: „Ich habe dem Reimi erstmal eine WhatsAppNa­chricht geschickt, was für ein toller Bursche er ist. Er und die anderen Jungs haben es nun in der Hand – die Zeit ist reif für neue Helden.“

Köberle hofft, dass durch den Erfolg schon jetzt ein Umdenken stattgefun­den hat. „Es wäre doch toll, wenn auch ARD und ZDF erkennen, dass es Eishockey auch außerhalb der Winterspie­le gibt. Ohne öffentlich­e Wahrnehmun­g im Alltag wird es nicht einfacher, mit der Nationalma­nnschaft Erfolge zu feiern.“

„Wir haben Großes erreicht, aber es ist noch viel mehr drin“

Patrick Reimer

Eishockey-Nationalsp­ieler

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