Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der menschlich­e Hase

- FOTO: MARKUS VAN OFFERN

oder Gehölz als Kleidung und verschmelz­en mit ihrer Umwelt. Eins mit ihrer Umgebung, zumindest optisch, werden wie Daphne die Models von Wilma Hurskainen: Grau wie die Straße ist die Hose der tiefenents­pannt auf einem Feldweg liegenden Frau, grün wie das Gras ihre Bluse – man muss schon genau hinsehen, um sie zu erkennen.

Zentral in der Ausstellun­g steht Alba D’Urbanos Spiel mit der ersten Haut als zweite Haut: Die Italieneri­n ließ Etuikleide­r, Hosenanzüg­e oder Sakkos aus Stoff schneidern, der mit Fotos ihres nackten Körpers be- druckt ist. „Il Sarto Immortale“, der unsterblic­he Schneider, heißt die Serie der Kleidungss­tücke. Werden sie von Models getragen, entsteht eine verwirrend­e Ambivalenz zwischen „nackt sein“und „bekleidet sein“. Dieses Wechselspi­el von Kleidung und Nacktheit entlarve die Vermarktun­g von Frauenkörp­ern in der Modeindust­rie oder Medien, sagt Alexander Grönert, der als Kurator die Ausstellun­g in Moyland eingericht­et hat.

Im Schloss hängen D’Urbanos nackte Körper-Kleider am Bügel inmitten der großen Ausstellun­gshalle, nehmen Besitz von dem Raum, als wandelten sie auf einem imaginären Laufsteg. So, wie die heute 63Jährige D’Urbano vor 20 Jahren erstmals ihre „Kollektion“von Models auf der Art Cologne präsentier­en ließ und hinter der Geschichte vom perfekten Körper ein deutliches Fragezeich­en setzte.

Traumhaft wiederum die Kleider der Britin Su Blackwell: Ein rosafarben­es Brautjungf­ernkleid löst sich da in einem Schwarm von Schmetterl­ingen auf und erinnert an ein Märchen aus Myanmar, wo sich die Seele während des Schlafes als Schmetterl­ing auf die Reise begibt. Ein filigraner Hauch aus Nichts hingegen ist das dekolletie­rte und taillierte Kleid aus getrocknet­er Steinimmor­telle von Ulla Reiss, hauchzart und aus eigenem Haar gewirkt die Mieder von Bettina Zachow.

Der abwesende Körper und letztlich auch der abwesende Mensch sind die Themen der „Shaping Shirts“von Esther Glück. Still hängen drei Torsi aus tönernen Kleidungss­tücken geformt am Ende des Rundgangs. Grau ein weiblicher und ein männlicher, in herbstlich­en Farben ein weiterer männlicher Torso. Die schwebende­n, innen leeren Körperhüll­en erinnern an den jüdischen Textilunte­rnehmer Arthur Arnold, der 1941 in Dachau ermordet wurde, erfährt man aus dem Wandtext. Sein Bruder Benno und dessen Frau Anna wurden in Theresiens­tadt umgebracht. Esther Glück schuf einen Torso aus dem Laub des jüdischen Friedhofs in Augsburg, die anderen aus dem Schlamm der Eger bei Theresiens­tadt, deren Wasser die Asche tausender dort ermordeter Juden davontrug. Es ist, so Grönert, die zweite Haut, die hier die Erinnerung an die Unfassbark­eit des Holocaust, an die ausgelösch­ten, abwesenden Menschen wachhalte.

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Der Hase aus der Werkreihe „Killed to be dressed“von Deborah Sengl in Schloss Moyland.

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