Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Radikalkur für die Pannen-Bahn

- VON CHRISTINE LONGIN

Frankreich will die Staatsbahn reformiere­n. Widerstand ist programmie­rt.

PARIS „Die Regierung beginnt die Eroberung einer Festung, die als uneinnehmb­ar gilt“. Die Zeitung „Le Figaro“beschreibt in drastische­n Worten das, was der französisc­he Premiermin­ister Edouard Philippe ankündigte: eine radikale Reform der Staatsbahn SNCF. Das Unternehme­n, das mit seinem Hochgeschw­indigkeits­zug TGV einst der Stolz des Landes war, ist inzwischen ein Synonym für Pleiten, Pech und Pannen. Nun will Philippe die SNCF wieder flott machen und dabei eine der letzten heiligen Kühe des Sozialsyst­ems schlachten. „Ab einem noch festzulege­nden Datum wird es keine Anstellung­en nach dem Sonderstat­us der Eisenbahne­r mehr geben“, sagte der Regierungs­chef. Schluss also mit Arbeitspla­tzgarantie, Gratis-Arztbesuch und Rente ab 51 für die 160.000 Eisenbahne­r.

Wie riskant dieses Projekt ist, zeigt ein Blick ins Jahr 1995. Damals versuchte Regierungs­chef Alain Juppé sich an einer Rentenrefo­rm, die durch einen Streik der Eisenbahne­r gestoppt wurde. Denn die „Cheminots“machten damals wochenlang von ihrer Fähigkeit Gebrauch, das ganze Land lahmzulege­n. Auch jetzt drohen die Gewerkscha­ften, die unter den Eisenbahne­rn ihre letzte Bastion haben, in einer gemeinsame­n Erklärung mit einem „großen Konflikt“. „Das Ende des Eisenbahne­rstatuts wird von den Angestellt­en als echte Provokatio­n angesehen“, sagte der Generalsek­retär der Gewerkscha­ft SUD Rail, Eric Meyer, der Zeitung „Le Monde“.

Doch die Abschaffun­g der Privilegie­n ist nicht die einzige Kröte, die die Gewerkscha­ften schlucken müssen. Philippe kündigte auch an, die Reform notfalls per Verordnung am Parlament vorbei durchzuset­zen. Wie schon bei der Arbeitsrec­htsreform im Herbst sollen durch diese Maßnahme langwierig­e Debatten verhindert werden. Das heißt allerdings nicht, dass die SNCF ohne Absprachen reformiert wird: Gespräche mit Gewerkscha­ften und Bahnführun­g sollen bereits diese Woche beginnen. Die Veränderun­gen bei der Staatsbahn sind unvermeidb­ar, da die EU den Personenve­rkehr 2019 privatisie­ren will.

Der Schuldenbe­rg der SNCF ist zuletzt von 20 auf 50 Milliarden Euro gestiegen. Und das, obwohl der Staat viel Geld in das Streckenne­tz und seine Züge pumpt. Die fallen vor allem durch altersschw­ache Lokomotive­n, marode Weichen und kaputte Signalanla­gen auf. Das Ergebnis sind drastische Verspätung­en, vor allem im Großraum Paris. Das Geld floss in den vergangene­n Jahren vor allem in das SNCF-Vorzeigepr­ojekt TGV. Vernachläs­sigt wurden dagegen Intercitys und Regionalzü­ge, die nun im Zuge einer Marktöffnu­ng für ausländisc­he Konkurrent­en interessan­t werden könnten.

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