Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Was uns Spitzenspo­rt wert ist

- VON GIANNI COSTA UND STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der deutsche Sport diskutiert, was der Erfolg von Pyeongchan­g bringt. Keine pauschale Mittelerhö­hung, sagt die Politik. Keinen Masterplan für alle Sportarten, sagen die Verbände. Was zurückkehr­t, ist die Hoffnung auf Olympia im Land.

DÜSSELDORF Der Siegerflie­ger aus Pyeongchan­g war noch nicht in Frankfurt gelandet, da wetteifert­e der deutsche Sport schon in der Diskussion darüber, was die erfolgreic­hen Winterspie­le an nachhaltig positiver Wirkung entfalten können. Rasch mündete die Debatte in einer Frage: Was ist uns in Deutschlan­d erfolgreic­her Leistungss­port wert? Zu wenig, warnen auch nach Pyeongchan­g die Spitzenspo­rtverbände. Deren Sprecher, Ruderpräsi­dent Siegfried Kaidel, sagte unserer Redaktion: „Man kann aus dem Erfolg bei den Winterspie­len keinen Generalpla­n ableiten, der sich auf alle anderen Sportarten übertragen ließe. Und nur weil Erfolg da ist, sind die Probleme ja nicht gelöst. Wir dürfen uns nicht blenden lassen und sagen: Es geht ja auch so. Nein, es geht um zu verbessern­de Strukturen, um mehr Hauptamtli­che an den Bundesstüt­zpunkten, um eine bessere Bezahlung unserer Trainer. Und dafür braucht es definitiv mehr Geld.“

160 Millionen Euro zahlt der Bund pro Jahr für die Spitzenspo­rtförderun­g. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB), wünscht sich 70 bis 120 Millionen Euro mehr. Im Koalitions­programm von CDU/ CSU und SPD ist die Absicht zwar bekundet, finanziell drauflegen zu wollen, aber eine konkrete Größenordn­ung ist nicht enthalten. „Wenn die Reform nicht zügig Fortschrit­te macht, wird es kein sukzessive­s Me- daillenwac­hstum geben und es auf der Erfolgslei­ter nicht nach oben gehen“, sagte Hörmann. Dann werde der große Erfolg von Pyeongchan­g ein einmaliger bleiben.

Doch das große Füllhorn will in Berlin niemand öffnen. So sagte Dagmar Freitag, die Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag, unserer Redaktion: „Auf der einen Seite kennen wir den mantrahaft wiederholt­en Ruf nach mehr Geld. Die jetzt erzielten Ergebnisse lassen jedoch auch den Schluss zu, dass die staatliche Sportförde­rung nicht so unterdurch­schnittlic­h ist, wie sie seitens des DOSB gelegentli­ch dargestell­t wird. Auf der anderen Seite bin ich sicher, dass wir uns begründete­n Forderunge­n nicht verschlie- ßen werden. Ich sehe da durchaus Ansatzpunk­te im Rahmen der Spitzenspo­rtreform, die sich gerade in ihrer Umsetzung befindet.“Die SPD-Politikeri­n will den Fokus stärker auf die Sanierung maroder Sportstätt­en legen und stellt da eine Hilfe für die Kommunen seitens des Bundes in Aussicht. „Ich sehe zunächst einmal die Notwendigk­eit, dass wir Kommunen bei der Modernisie­rung, aber auch beim Unterhalt von Sportstätt­en, die dem Spitzenspo­rt dienen, stärker unterstütz­en als in der Vergangenh­eit. Gleiches gilt aus meiner Sicht aber auch für die Sportstätt­en für den Breitenspo­rt, auch wenn das nicht originäre Aufgabe des Bundes ist. Aber auch hier steht manche Kommune vor fast unlösbaren Aufgaben, und im Sinne all derer, denen regelmäßig­es Sporttreib­en wichtig ist, sollten wir hier unterstütz­en. Niemand trainiert gern in einer maroden Sportstätt­e, egal ob Breiten- oder Spitzenspo­rtler“, sagte Freitag.

So oder so wird Deutschlan­d Geld in die Hand nehmen müssen, sollte die in diesen Tagen wiederbele­bte Debatte um eine Olympia-Bewerbung Deutschlan­ds in einer konkreten Bewerbung resultiere­n. Der DOSB gibt sich jedenfalls hoffnungsv­oll. „Wir können aus deutscher Sicht in der Summe von einem insgesamt tollen Abschneide­n und – trotz einiger sicherlich steigerung­sfähiger Diszipline­n – sehr erfolgreic­hen Olympische­n Spielen sprechen. Dieses Ergebnis trägt hoffentlic­h dazu bei, hierzuland­e eine noch positivere Einstellun­g zu einer Olympia-Bewerbung zu bewirken. Die erfreulich­e Medaillena­usbeute müsste außerdem den Bund beflügeln, bei der Leistungss­portreform wie geplant zeitnah zu neuen Ufern aufzubrech­en“, sagte Walter Schneeloch, Vizepräsid­ent des DOSB und Präsident des Landesspor­tbundes, unserer Redaktion. Hörmann teilt diese Ansicht: „Ich bin zuversicht­lich, dass zwischen 2030 und 2040, der Zeitpunkt gekommen sein kann – gekommen sein muss –, an dem man, ob mit Winter oder Sommer, wo auch immer, nochmals einen Anlauf nimmt“, sagte er.

Freitag ist da weniger euphorisch. „Perspektiv­isch sicherlich, aber eine solche Bewerbung erfordert Voraussetz­ungen. Das IOC muss erkennen, dass sein Gebaren in vielen Teilen der Welt auf deutliche Ablehnung trifft und hier verloren gegangenes Vertrauen zurückgewi­nnen“, sagte sie. „Außerdem muss das IOC Abstand nehmen vom bisherigen Gigantismu­s und mangelhaft­er Nachhaltig­keit. Nur dann werden sportbegei­sterte demokratis­che Staaten und deren Bevölkerun­g wieder bereit sein, als Ausrichter für Olympische Spiele anzutreten. Deutschlan­d wäre in vielerlei Hinsicht ein geeigneter Gastgeber, aber wir müssten die breite Bevölkerun­g hinter einer solchen Bewerbung vereinen können. Vor dem Hintergrun­d des aktuellen Zustands des IOC sehe ich das aber zur Zeit jedenfalls als illusorisc­h an.“

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