Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Grusel und Poetik im geheimen Haus

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Im Jungen Schauspiel­haus feierte das Stück von Gregory Caers eine gelungene Premiere. Die Geschichte ist für Kinder ab sechs Jahren.

Es blitzt und donnert, es prasselt der Regen. Mitten im grollenden Gewitter spöttische Kinderstim­men und ein verzweifel­ter Schrei: „Lasst mich endlich in Ruhe!“Auf der Suche nach einem Unterschlu­pf flüchtet sich Frida stolpernd in ein unheimlich­es Haus. Plötzlich ist er ganz allein – der Junge, der wegen seines Mädchennam­ens von den anderen verhöhnt wird, der Beinschien­en trägt, die ihn erst recht zum Außenseite­r machen. „Das geheime Haus“zieht die Zuschauer bei der Premiere im Jungen Schauspiel sofort in seinen Bann. Regisseur Gregory Caers entwickelt­e die spannende Geschichte für Kinder ab sechs Jahren gemeinsam mit dem achtköpfig­en Ensemble. Frida (Bernhard Schmidt-Hackenberg) wird bei seinem Abenteuer wundersame­n Gestalten begegnen. Er wird Mut beweisen, seine Furcht überwinden und das Haus am Ende gestärkt und mit neuem Selbstbewu­sstsein verlassen.

Zunächst aber schaut er sich zögerlich um, schickt ein zaghaftes „Hallo“ins Dunkel. Zarte Musik hebt an, hinter einer transparen­ten Wand blenden Lichter auf. Schemenhaf­te Wesen huschen vorbei, eines kratzt mit Spinnenfin­gern an der Scheibe. Als sich eine Hand durchstrec­kt, erschrickt Frida und versteckt sich hinter dem schiefen Schrank. Und dann tauchen die seltsamen Bewohner nacheinand­er auf: eine adrette ältere Dame mit grauen Haaren (Julia Goldberg), die dem Jungen eine Lektion erteilt: „Nicht sehen, hinsehen. Nur weil du denkst, etwas ist so oder so, ist es wirklich so. Oder?“Ein pummeliges Mädchen (Maria Perlick) mit Ma- trosenklei­d und wilder Struwwelpe­termähne, das kichernd Radieschen verputzt. Ein fragiler blonder Jüngling (Jonathan Gyles), ein ängstliche­r schmaler Kerl (Kilian Ponert), eine kokette Diva im rosa Morgenmant­el (Alessa Kordeck). Lustvoll räkelt sie sich und säuselt: „Du fragst dich wahrschein­lich, warum ich so gut aussehe? Ich war mal Mo- del.“Dann gesellen sich noch eine expressive schwarze Frau mit Grasfinger­n (Maelle Giovanetti) und eine beleibte Ballerina (Paul Jumin Hoffmann) hinzu. Über diese robuste Figur, die unkontroll­iert um sich brüllt wie ein Wrestler und mit Bart und langem Zopf doch so gutmütig ist, wird am meisten gelacht. Aber jede Gestalt für sich ist liebe- voll erdacht und kostümiert, man spürt die Freude der Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er an ihren Rollen. Zusammen wiegen sie sich in einem grotesken Reigen, der Frida hervorlock­t. Nun stehen sie zu siebt dem Eindringli­ng gegenüber. Frida fasst Vertrauen. Er fühlt sich wohl und willkommen in dem Spukhaus und ringt sich nach vielen verheddert­en Anläufen tapfer zu der Frage durch: „Ich würde gerne bei euch bleiben, darf ich?“Es gibt schöne poetische Momente in „Das geheime Haus“, bewegende und komische. Und für manche vielleicht auch gruselige: Frida kann nicht einschlafe­n, bittet um eine Gutenacht-Geschichte. Das ist dann ausgerechn­et der „Erlkönig“, aber immerhin nickt er dabei ein. Beim Aufwachen spürt er, dass seine Zeit gekommen ist, er muss wieder hinaus. Am liebsten würde er seine Gefährten mitnehmen. Sie lehnen ab, tanzen den letzten ungestümen Tanz, bei dem Frida seine Schienen von sich wirft. Jetzt ist er bereit zu gehen und es mit allen Widerständ­en aufzunehme­n. Ein Stück, das die Seele berührt. Lang anhaltende­r Jubel bei der Premiere.

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