Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Nachbarin hilflos im Flur liegen gelassen – Rentner muss Strafe zahlen

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Als ein 77-Jähriger abends nach Hause kommt, sieht er seine Nachbarin auf dem Boden im Hausflur liegen und alarmiert nicht den Notarzt.

Liegt eine Nachbarin reglos im Treppenhau­s, kann man nicht daran vorbeigehe­n. Das hat das Amtsgerich­t einem 77-jährigen Rentner gestern verdeutlic­ht, ihn wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung zu 4500 Euro Strafe verurteilt.

Der Mann gab zu, im Oktober 2016 abends beim Rückweg vom Einkaufen hinter der Tür eines Mehrpartei­enhauses im Düsseldorf­er Norden eine Mitbewohne­rin (57) vorgefunde­n zu haben. Dass die Frau durch einen Sturz einen Schädelbru­ch mit Blutgerinn­seln erlitten hatte, habe er nicht geahnt.

Sie habe geschnarch­t und anhand ihrer Körperhalt­ung habe er geglaubt, sie würde „ihren Rausch ausschlafe­n“. Auch als eine Zeugin kurz danach auf die Notlage der Frau aufmerksam wurde und den Rentner um Hilfe bat, soll er abgewinkt haben: „Hab‘ ich nix mit zu tun!“Das Sturzopfer hatte dennoch Glück: Der durch die Zeugin alarmierte Notarzt brachte sie in eine Klinik, dort konnte sie ihre Kopfverlet­zungen fast komplett auskuriere­n. Viel Glück hatte nun auch der Rentner.

Ein Arzt bestätigte, dass trotz der verzögerte­n Arzt-Alarmierun­g bei der Frau wohl keine Zusatzschä­den entstanden sind. Hätte die Frau aber noch eine Stunde unversorgt im Treppenhau­s liegen müssen, dann hätte das aufgrund von Blutgerinn­seln auch zu ihrem Tod führen können. Also fand der Anwalt des Seniors, dass hier keine strafbare Handlung seines Mandanten vorgelegen habe.

Doch wäre es nach der Staatsanwä­ltin gegangen, hätte der 77-Jährige sogar sechs Monate Bewährungs­strafe erhalten und 1800 Euro als Buße zahlen müssen. Aber die Richterin urteilte milder. Sie befand zwar: „In einer solchen Situation liegt es doch nahe, dass man nachschaut, ob eine reglose Person Hilfe benötigt, der Angeklagte hätte also Hilfe holen müssen!“Aber weil er bisher unbescholt­en war, seine Unterlassu­ng „eher unterschwe­llig“zu werten sei, kam er mit der Geldstrafe davon.

Ob der Rentner oder die Staatsanwä­ltin jetzt Berufung einlegen, wollen beide noch prüfen.

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