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Integrationsforscher steigt in Regierung ein
Bei Aladin El-Mafaalani laufen künftig die Fäden der Integrationspolitik in NRW zusammen. Dafür gibt er sogar seine Professur auf.
DÜSSELDORF Noch steht er am Rand. Konzentriert lauscht Aladin El-Mafaalani den Abschiedsreden für seinen Vorgänger. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ist eigens zu der internen Feier im Düsseldorfer Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration gekommen, auch Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) ist dabei – und um die 40 Mitarbeiter. Auf einmal tritt El-Mafaalani einen Schritt vor, zückt sein Smartphone und macht ein Foto.
So ungewöhnlich wie diese Geste in dieser Situation ist die Personalie, die in dem Ministerium bisher nur intern verkündet wurde: Neuer Leiter der Integrationsabteilung wird Aladin El-Mafaalani, ein Wissenschaftler ohne Parteibuch und Verwaltungserfahrung. Ihm kommt in der schwarz-gelben Landesregierung künftig die Schlüsselrolle zu, die Integration von Flüchtlingen und Migranten zu verbessern.
„Er ist einer der führenden Integrationsforscher. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung war die fachliche Kompetenz“, begründet Stamp die Wahl. Auf die Idee habe ihn Staatssekretärin Serap Güler gebracht. „Wie wichtig die Aufgabe ist, zeigt die aktuelle Diskussion um die Essener Tafel.“Hieran werde deutlich, welche Bagatellen zurzeit schon eine gesellschaftliche Debatte auslösten.
Im Ministerium hat es Tradition, dass nicht das richtige Parteibuch über die Vergabe von Posten entscheidet. Tatsächlich überdauerte El-Mafaalanis Vorgänger Anton Rütten, Sozialdemokrat durch und durch und seit 1993 an der Spitze der Integrationsabteilung, jeden Minister und jede Landesregierung. Einschließlich Armin Laschet, der von 2005 bis 2010 sein Chef war.
Mit der Personalie ist Stamp eine Überraschung gelungen. Es kommt nicht oft vor, dass Wissenschaftler eine Stelle als Professor aufgeben und in die Landesverwaltung wechseln. Noch dazu war die Stelle an der Fachhochschule (FH) in Münster für El-Mafaalani ein Traumjob, wie er beteuert. „Ich habe daher nicht sofort zugesagt, sondern mit mir gerungen“, gibt der 39-Jährige zu. Außerdem habe er noch ein weiteres Angebot von einer Hochschule gehabt. Überzeugt habe ihn aber schließlich die Aussicht, gestalten zu können: „Außerdem hoffe ich, mehr in die Praxis umsetzen zu können als bisher.“
El-Mafaalani gilt als ausgewiesener Bildungsexperte. Der Frage, wie Menschen aus benachteiligten Milieus trotzdem den sozialen Aufstieg schaffen können, widmete der gebürtige Nordrhein-Westfale seine Doktorarbeit und einen Großteil seiner Forschungstätigkeit. Auf seinen Rat hören viele Politiker fast aller Parteien: Landesminister, Bundesminister und zeitweise auch der Bundespräsident. Er habe öfter mit den Redenschreibern von Joachim Gauck telefoniert, mehr will er nicht verraten. Auch in den Medien ist er ein gefragter Gesprächspartner.
Wenn El-Mafaalani von Integration redet, dann weiß er, was das heißt. Er selbst stammt aus einer syrischen Familie, wurde 1978 in Datteln geboren. Als sozialen Aufsteiger allerdings sieht er sich nicht: „Mein Vater ist Arzt: Meinen Werdegang als Sozialwissenschaftler hat er erst richtig akzeptiert, als ich Professor wurde.“El-Mafaalani wuchs in Waltrop auf und studierte nach dem Abitur an der Ruhr-Uni Bochum Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Pädagogik. Von 2007 bis 2013 arbeitete er als Lehrer an einem Berufskolleg. Auf einen Ruf musste der Vater einer 15-jährigen Tochter nicht lange warten: Seit 2013 arbeitet er als Professor in Münster. Sein Lebensmittelpunkt ist aber Dortmund, er bezeichnet sich als fanatischen BVB-Anhänger.
Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW, hält El-Mafaalani für eine sehr gute Wahl. Er werde Brücken bauen. Auch in der CDU-Fraktion habe die Personalie Anklang gefunden, hieß es in Parteikreisen. Dort erhoffen sie sich neue Impulse.
Eine Idee hat El-Mafaalani schon jetzt: Er will die etwas statische Zusammenarbeit mit den Verbänden aufbrechen und dazu TownhallMeetings ins Leben rufen. Also zwanglose Treffen, bei denen künftig etwa auch muslimische Jugendliche willkommen sein könnten. „Er soll die Freiheit bekommen, die er braucht“, heißt es im Ministerium.