Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wenn der Mensch in den Hintergrun­d tritt

- VON NATALIE URBIG FOTO: ANNE ORTHEN

Sieben Künstler stellen im KIT die Rolle des Menschen in Frage. „Meeting the Universe Halfway“ist ab morgen zu sehen.

Das Tipp-Ex schweigt. Hin und wieder setzt es an und summt eine Melodie, das Reden aber überlässt es den anderen. Und so hört es den Klagen seines Nachbarn, eines mehrfarbig­en Stifts, zu. Der kann sich nicht entscheide­n, in welcher Farbe er malen soll. „Red, red, green, black, blue?“, fragt er immer wieder.

Der Künstler Ceel Mogami de Haas lässt in seiner visuellen Arbeit „The Hollow Pens“Stifte sprechen. Vier Schreibwer­kzeuge sind es, die derzeit im KIT (Kunst im Tunnel), miteinande­r ins Gespräch kommen. Dafür nutzt de Haas Monitore, auf denen die Stifte als Animatione­n zu sehen sind. Jeder von ihnen hat ein eigenes Temperamen­t. „Das Zuhören lohnt sich, vielleicht lassen sich ihre Charaktere­igenschaft­en in dem ein oder anderen Menschen wiedererke­nnen“, sagt Gertrud Peters, künstleris­che Leiterin des KIT.

Die Installati­on von Ceel Mogami de Haas ist Teil der Ausstellun­g „Meeting the Universe Halfway“– auf Deutsch „Dem Universum auf halbem Weg begegnen.“Der Titel stammt von dem Buch der Physikerin Karen Barad, die ihn wiederum aus einem Gedicht von Alice Fultons hat. Das Buch mit seinen philosophi­schen Ansätzen sei in Künstlerkr­eisen populär, erzählt Peters. „Vor dem Humanismus gab es diese klaren Grenzen zwischen Natur und Menschen, Beseeltem und Unbeseelte­m nicht.“Der Posthumani­smus hinterfrag­t nun, ob der Mensch wirklich das Maß aller Dinge ist, ob es gerechtfer­tigt ist, dass er seine Umwelt, Gegenständ­e und Lebewesen unterordne­t.

Gertrud Peters hat die Ausstellun­g zusammen mit Christoph Westermeie­r und Yesim Akdeniz konzipiert: Sieben Künstler aus Deutschlan­d, den Niederland­en, der Schweiz, der Türkei und den USA setzten sich mit der Frage des Seins auseinande­r. „Es war ein Experiment, wir wollten sehen, was passiert, wenn sich der Mensch zurücknimm­t“, erklärt Christoph Westermeie­r, „wir haben nicht geguckt, welches Medium dazu passt, sondern, was die Thematik hergibt.“Und so ist im KIT nun eine vielseitig­e Auswahl zu sehen: Skulpturen, Malerei, Fotografie­n und multimedia­le Arbeiten füllen den Raum unter der Rheinuferp­romenade.

Besonders deutlich wird die Fehlbarkei­t des Menschen wohl in der Arbeit von Kubilay Meret Ural: Er hat ein Poster geschaffen, das auf den ersten Blick so auch in einem Jugendzimm­er oder Partykelle­r hängen könnte. Darauf zu sehen ist die Besatzung der Raumfähre „Challenger“– die 1986 kurz nach dem Start explodiert­e und in den Atlantik stürzte. Auf das Poster schrieb der Künstler mit Kreide Songtexte der Sängerin Beyoncé. „Ein trauriges Mahnmal für das, was die Menschen alles nicht beherrsche­n“, sagt Peters.

Unheimlich muten die Figuren von Müge Yilmaz an – die haarigen Wesen halten sich in grünen Tarnfarben gedeckt. Ob es Menschen, Pflanzen oder Tiere sind, lässt sich nicht genau sagen. Das ist Teil der Idee.

Von der Akademie-Professori­n Yesim Akdeniz gibt es zwei Skulpturen zu sehen und eine Malerei, die aufgeräumt wirkt. Ein Bild im Bild, ein gelber Sessel und eine Steinskulp­tur füllen den Raum – ein Mensch taucht in der Kulisse nicht auf. „Trotzdem ist es nicht entleert“, sagt Westermeie­r.

Wohl aber tritt der Mensch im Video „Pink Slime Caesar Shift“von der Künstlerin Jen Liu auf, das erst bei der Berlinale in der Akademie der Künste in Berlin gezeigt wurde. Doch ist der Mensch in dem 24-minütigen Film nicht als Individuum, sondern vielmehr als Ware zu sehen – es geht um chinesisch­e Arbeiterin­nen und um künstlich hergestell­tes Fleisch, das die Künstlerin mit einem Wissenscha­ftler produziert hat.

„In den Arbeiten der Künstler scheint es, als hätte ein fremdes Prinzip die Kontrolle übernommen“, sagt Peters, „während die Objekte lebendig, ja belebt wirken.“Mit leeren Händen kam der Künstler Francois Dey, die Lage des KIT, an dem täglich mehrere tausend Autos vorbeirase­n, hat ihn inspiriert. So fertigte er mehrere rosafarben­e Einzelteil­e, die zusammen ein Auto ergeben und von Statisten in der Düsseldorf­er Stadt ausgeführt wurden. Die Ergebnisse sind in einem Video zu sehen.

Auch Christoph Westermeis­ter hat für die Ausstellun­g eine eigene Installati­on konzipiert: Lochbleche wurden zu einer Art Einkaufsme­ile aufgebaut, Fotografie­n darin deuten das menschlich­e Wesen immerhin an.

 ??  ?? Künstlerin Müge Yilmaz (Mitte) präsentier­t mit Gertrud Peters (links) und Christoph Westermeis­ter (rechts) ihre haarigen Skulpturen. Eine davon ist in grünlichen Tarnfarben gehalten, die andere hat die Künstlerin für die Ausstellun­g extra in Grau...
Künstlerin Müge Yilmaz (Mitte) präsentier­t mit Gertrud Peters (links) und Christoph Westermeis­ter (rechts) ihre haarigen Skulpturen. Eine davon ist in grünlichen Tarnfarben gehalten, die andere hat die Künstlerin für die Ausstellun­g extra in Grau...

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