Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mann erpresst seinen behinderte­n Kollegen

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Mit einer erfundenen Vergewalti­gung forderte ein 46-Jähriger jahrelang Geld. Das Opfer stand kurz vor dem Suizid.

Als „verachtens­wert“, „schamlos“und „unverfrore­n“hat das Amtsgerich­t gestern die vier Jahre andauernde Erpressung eines geistig stark benachteil­igten Lagerarbei­ters (60) durch einen Kollegen bezeichnet. Doch nicht nur mit Worten ging das Gericht gegen den geständige­n Angeklagte­n (46) hart vor. Trotz Geständnis und dem Angebot, das erpresste Geld von mindestens 11.000 Euro ratenweise mit 150 Euro abzutragen, hat das Gericht dem Täter jede Chance auf Bewährung verweigert, ihn zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.

Eine Geste war dem Opfer Anfang 2014 zum Verhängnis geworden, als er einer Kollegin ohne Hintergeda­nken einen Arm auf ihre Schulter gelegt hatte. Das sei eine Vergewalti­gung oder sexueller Missbrauch, tönte damals sein Kollege. Weil der 60-Jährige das glaubte, forderte der Angeklagte insgesamt mindestens 11.000 Euro Schweigege­ld. Das Geld musste er abspracheg­emäß vor seiner Wohnung in Düsseldorf unter der Fußmatte platzieren. Per SMS musste dann der Angeklagte informiert werden, der sich das Geld abholte. Das Opfer vertraute ihm: „Ich dachte, er wäre mein Freund!“Doch bei der Familie, bei Freunden und beim Arbeitgebe­r, einer Spedition, musste er immer öfter Geld leihen, um zahlen zu können. Zuletzt dachte das arglose Erpressung­sopfer (das seit Jahren unter Betreuung steht) sogar an Suizid, um dem Dilemma zu entrinnen.

Zumal der Angeklagte laut Geständnis drohte, er würde eine Rockertrup­pe auf ihn hetzen oder ihn mit einer Pistole „wegballern“. Der Angeklagte betonte, er sei als Kind missbrauch­t, später selbst Opfer einer Erpressung geworden. Als er dann nach Spielsucht und Depression­en mit einer Drogensüch­tigen zusammen kam, habe er Geld gebraucht, um der Frau die Prostituti­on zu ersparen. Also habe er den leicht beeinfluss­baren Kollegen erpresst. Doch der 60-Jährige ist dadurch nun so hoch verschulde­t, dass ihm die Privatinso­lvenz droht. Zudem ist er wegen der Tat noch immer in psychologi­scher Behandlung.

An eine Spontan-Idee des Angeklagte­n zur Erpressung hat das Gericht nicht geglaubt. Zumal der 46Jährige vorbestraf­t war, weil er einem Chef einst vorgeflunk­ert hatte, unheilbar krebskrank zu sein und für eine Heilkur in den USA rund 8000 Euro Vorschuss zu brauchen. Danach begann er dann, den geistig deutlich unterlegen­en Kollegen vier Jahre lang mit Tricks und Lügen und Drohungen zu Zahlungen zu zwingen. Die „Schuld des Angeklagte­n wiegt so schwer“, dass die Richter eine Bewährungs-Chance jetzt ablehnten – und fast drei Jahre Haft verhängten. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

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