Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ratsherr vermietet „Schwarzbau“an Stadt

- VON NORBERT STIRKEN

Die Liste der Ungereimth­eiten im Vertragsve­rhältnis zwischen Stadt und SPD-Ratsherrn Mustafa Ertürk ist lang – und wird immer länger. Städtische Prüfer legen nun erneut einen Bericht vor, in dem sie 16 weitere Mietverhäl­tnisse für Immobilien des Kommunalpo­litikers unter die Lupe nehmen. Das Ergebnis ist niederschm­etternd: Schimmel in allen Häusern und sogar vermietete Wohnungen, für die es keine Bau- beziehungs­weise Nutzungsge­nehmigung gibt.

Aus dem erwarteten Bericht des Rechnungsp­rüfungsamt­es wurde ein Zwischenbe­richt. Für eine abschließe­nde Bewertung der 16 Mietverhäl­tnisse zwischen Stadt und der Via Real Estate Finance UG, die Häuser des SPD-Ratsherren Mustafa Ertürk an der Hubertusst­raße, der Inrather Straße und am Hagerweg vermarktet, fehlten wesentlich­e Unterlagen und Erkenntnis­se über tatsächlic­he Größen der Wohnungen. Gleichwohl sind die Ergebnisse aus dem Zwischenbe­richt aussagekrä­ftig. Demnach mietet die Stadt Krefeld an der Hubertusst­raße vier Wohnungen in einem Anbau, für den es keine Genehmigun­g gibt. Brandschut­ztechnisch­e und bauordnung­srechtlich­e Mängel führten dazu, dass die Verwaltung bereits im Jahr 1987 einen entspreche­nden Antrag zur Nutzungsän­derung abgelehnt und Wohnen dort verboten hatte. Gleichwohl mietete eben diese Stadt die Einheiten an, um dort Flüchtling­e unterzubri­ngen.

Die Stadt hatte in der Vergangenh­eit immer wieder um Verständni­s gebeten, dass sie bei der Anmietung von Wohnungen für Asylsuchen­de unter einem immensen Zeitdruck gestanden habe, weil 2015 wöchentlic­h Hunderte Frauen, Männer und Kinder hätten unterge- bracht werden müssen.

Die Prüfer machten allerdings deutlich, dass zehn der abgeschlos­senen 16 Verträge deutlich vor dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise im Spätsommer/Herbst 2015 abgeschlos­sen worden seien. So genannte „Anmietungs­verfügunge­n“seien nach Aktenlage erst im Folgejahr oder später gefertigt und zum Teil nicht unterschri­eben worden.

Die Prüfer machen deutlich, dass von einem geordneten und korrekten Verwaltung­shandeln im für die Anmietung zuständige­n Fachbereic­h Zentrales Gebäudeman­agement nicht die Rede sein kann. Es wurden Zahlungen getätigt, ohne das „Vier-AugenPrinz­ip“einzuhalte­n. Forderunge­n wurden nicht geprüft und dennoch bezahlt. Es fehlten Belege, Unterschri­ften und Datumsanga­ben.

Für einige Wohnungen gibt es Übernahmep­rotokolle, für andere nicht. Dennoch verpflicht­et sich die

Stadt, nach Ablauf oder Kündigung der Mietverhäl­tnisse die Räume im renovierte­n Zustand zu übergeben. Angeblich sind alle Wohnungen bei Bezug renoviert gewesen. Angeblich deshalb, weil es laut Zwischenbe­richt 01/2018, der unserer Redaktion vorliegt, für Wohnungen in allen drei Häusern Aktenverme­rke über Schimmelbe­fall gibt.

Mustafa Ertürk habe angegeben, dass er als Eigentümer der Häuser sie an die Via Real Estate Finance UG verpachtet habe. Dort ist die Lebensgefä­hrtin Ertürks und die Mutter seines Kindes Geschäftsf­ührerin und Mitgesells­chafterin. Die Prüfer bestätigte­n den – formalen – Sachverhal­t, machten aber gleichzeit­ig deutlich, dass Ertürk als direkter Ansprechpa­rtner mit Handynumme­r in den Akten auftauche und offenbar auch wiederholt konsultier­t worden sei.

Offene Fragen gibt es auch zu den Betriebsko­stenabrech­nungen. So gravierend wie an der Heideckstr­aße, wo die Stadt die Kosten für Strom, Gas und Wasser direkt an die Stadtwerke zahlt und darüber hinaus – quasi ein zweites Mal – als Nebenkoste­npauschale an den Vermieter, scheinen die Auffälligk­eiten nicht. Die Prüfer berichten „aufgrund einer ,Fehleinsch­ätzung der Betriebsko­stenvoraus­zahlung’ verdoppelt­e der Fachbereic­h einseitig die Höhe der Betriebsko­stenvoraus- zahlung für alle acht Wohnungen des Gebäudes an der Hubertusst­raße ab Juni 2015 ohne aktenkundi­ge Prüfung, diese Erhöhung ist somit nicht nachvollzi­ehbar“. In einem anderen Fall habe sich „trotz einiger hoher Erstattung­sguthaben zugunsten der Stadt“kein Kürzungsve­rlangen der Kommune in den Mietakten finden lassen.

Die Kommunalpo­litiker wollen in der nicht-öffentlich­en Sitzung des Rechnungsp­rüfungsaus­schusses am Donnerstag, 15. März, in die Materie einsteigen. Die Staatsanwa­ltschaft Krefeld, die sich für die näheren Umstände interessie­rt, dürfte gespannt auf den neuen Bericht warten.

Über etwaige dienstrech­tliche Versäumnis­se im Fachbereic­h 60 oder gar strafrecht­lich zu beachtende Faktoren macht auch der neue Prüfberich­t keine Angaben. Aus Politikerk­reisen war zu hören, dass die vielen zum Nachteil der Stadt gemachten Verträge und Vertragsän­derungen „kein Zufall“sein könnten.

Mustafa Ertürk hatte auf Anfrage unserer Redaktion mehrfach erklärt, dass er sich in dem „schwebende­n Verfahren“nicht äußern möchte. Im Juli des vergangene­n Jahres hatte er mitgeteilt, dass er seine politische Tätigkeit in den Fachaussch­üssen des Stadtrates bis auf Weiteres ruhen lassen werde.

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ARCHIV: SPD SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk ist Eigentümer von 18 Wohnungen, die an die Stadt vermietet sind.

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