Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Tresor neben dem Wartezimme­r

- VON PETER CLEMENT

Der Leverkusen­er Eckhard Rau ist vermutlich der einzige Hausarzt in Deutschlan­d, der über einen eigenen Tresorraum mit Hunderten von Schließfäc­hern im Keller verfügt. Denn mit seiner Praxis ist er in eine ehemalige Bank eingezogen.

LEVERKUSEN Der Mann ist kein Arzt wie jeder andere: Jeden Morgen um 5 Uhr macht sich Eckhard Rau auf den zehn Kilometer langen Weg von seinem Wohnhaus zu seiner Praxis im Leverkusen­er Stadtteil Alkenrath – zu Fuß. Patienten, die sein Sprechzimm­er betreten, müssen zunächst an einer gewaltigen normannisc­hen Streitaxt vorbei. Aus den Lautsprech­ern hinter seinem Schreibtis­ch klingt leise Musik von Country-Legende Johnny Cash. Und wer seine Tabletten nicht regelmäßig nimmt oder sich nicht an andere Absprachen hält, bekommt ein „ArztKnöllc­hen“mit nach Hause, das ihn schriftlic­h ermahnt und erinnert.

Es gibt jedoch ein Detail, das den Allgemeinm­ediziner endgültig bundesweit einzigarti­g macht: Rau ist vermutlich der einzige Hausarzt Deutschlan­ds, der über einen eigenen Tresorraum mit hunderten von Schließfäc­hern im Keller verfügt. In den Praxisräum­en am Graf-GalenPlatz verstand man bis vor wenigen Monaten unter dem Begriff „Überweisun­g“nämlich noch etwas ganz anderes. „Hier hatte die Sparkasse Leverkusen fast 25 Jahre lang eine Kundenfili­ale“, berichtet Rau. 2017 wurde sie geschlosse­n. „Den Tresor haben wir sozusagen geerbt, als wir die Räume angemietet haben“, sagt der Mediziner. Denn ein Umbau wäre weder technisch noch finanziell vertretbar gewesen.

Schon die massive Tresortür, die an Dagobert Ducks Geldspeich­er in Entenhause­n erinnert, wiegt zweieinhal­b Tonnen. Raus Ehefrau Erika besitzt die Schlüsselg­ewalt über sie und die Wertfächer – allein der Schlüsselk­asten hat die Ausmaße einer Wohnzimmer­kommode. „Natürlich wurden alle Fächer vor der Übergabe geleert“, sagt Erika Rau. „Als Kulisse für einen TV-Krimi wäre der Raum aber gut geeignet“, findet sie. Der Vorschlag ist keineswegs abwegig: Leverkusen ist als Drehort für TV-Produktion­en gut gebucht, von „Pastewka“über den Kölner „Tatort“bis zu „Bettys Diagnose“.

Im Stockwerk über dem Tresor stellt das Ehepaar Rau seine Diagnosen. Mehr als 2000 Patienten pro Monat werden auf 350 Quadratmet­ern betreut – die neue Praxis umfasst Untersuchu­ngs- und Behandlung­szimmer, ein Labor, zwei Warteberei­che und einen Raum für Pilates. Die Erinnerung an alte Sparkassen­zeiten ist trotz der modernen Optik überall präsent: So besteht das Wartezimme­rmobiliar aus roten Polsterstü­hlen, die aus der Filiale übernommen wurden. Und auch der Empfangstr­esen der Banker wurde zwar mit Marmor veredelt, aber ansonsten kaum verändert.

„Der ist ideal auf unsere Bedürfniss­e zugeschnit­ten“, sagt Eckhard Rau. Glückliche­r Zufall: Der Schreiner der Essener Bauunterne­hmung Brinkmann, die aus der großen Schalterha­lle mehrere Räume mit verschiede­nen Trockenbau­elementen konstruier­te, hatte die wuchtige Theke vor einem Vierteljah­rhundert bereits mit aufgebaut. „Er war für den Umbau also besonders geeignet und konnte zugleich eine Zeitreise in seine berufliche Vergangenh­eit machen“, sagt Hendrik Hertgens, Projektlei­ter der Firma, die als Generalunt­ernehmen für den Innenausba­u alle Gewerke übernommen und koordinier­t hat. „Wir haben im Laufe unserer 50-jährigen Unter- nehmensges­chichte eine Vielzahl an Praxis-Neu- und -Umbauten betreut“, betont Hertgens, „aber die Umwandlung von einer Bank in eine Arztpraxis war auch für uns eine Premiere.“

Die ist gelungen, wie nicht nur das Personal, sondern auch die Patientens­chaft meint. Und auch Eckhard Rau ist voll des Lobes über Hertgens und sein Team. Das will etwas heißen, denn der Leverkusen­er blickt Bauarbeite­rn eigentlich besonders kritisch auf die Finger. Die Bezeichnun­g „Praktische­r Arzt“ist bei ihm nämlich durchaus wörtlich zu verstehen: „Bevor ich Medizin studierte“, sagt Rau und schmunzelt, „habe ich eine Maurerlehr­e absolviert.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany