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Weltweites Entsetzen über US-Zölle

- VON J. DREBES UND M. PLÜCK

Die Handelsbar­rieren des US-Präsidente­n für Stahl und Aluminium dienen ihm als Druckmitte­l auf die Nachbarsta­aten Mexiko und Kanada. Doch Washington schafft damit einen gefährlich­en Präzedenzf­all, der den Freihandel bedroht.

DÜSSELDORF Die Welt ist in Aufruhr, seit Donald Trump am späten Donnerstag­abend Strafzölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium verhängt hat. Das britische Wirtschaft­smagazin „The Economist“spricht von „der größten Bedrohung für das weltweite Handelssys­tem“seit dessen Gründung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es bestehe die Gefahr einer „Wie du mir, so ich dir“-Spirale. Auch kritisiere­n die Autoren Trumps Argumentat­ion: Der Präsident beruft sich bei seinen Maßnahmen auf ein Gesetz, das Wirtschaft­szweige unter dem Deckmäntel­chen der nationalen Sicherheit schützt. Sein eigentlich­er Beweggrund dürfte jedoch eine bessere Verhandlun­gsposition gegenüber Kanada und Mexiko in den laufenden Gesprächen über das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen Nafta sein – entspreche­nd erklärt sich auch, dass Trump Ausnahmen für beide Nachbarn ankündigte. Dass in 15 Tagen, wenn die Zölle in Kraft treten, der Rest der Welt getroffen wird, nimmt der Präsident billigend in Kauf. Kommentato­ren warnen davor, dass andere Länder Trumps Beispiel folgen könnten und mit ähnlich halbseiden­en Argumenten vorgehen könnten – ein Vorgehen, dass die Hüterin des Freihandel­s, die Welthandel­sorganisat­ion (WTO), massiv schwächen könnte.

Eines hat Trump zumindest mit seinen Zöllen erreicht: Selten war die Weltgemein­schaft derart aufgebrach­t. Die Reaktionen reichten gestern von Fassungslo­sigkeit über Forderunge­n nach massiven Gegenschlä­gen bis hin zu besorgten Rufen nach besonnenen Antworten: Deutschlan­d setzt nach Angaben von Bundeskanz­lerin Angela Merkel weiter auf multilater­ale Absprachen im Handel. Den Vorzug hätten nun Gespräche. Dabei vertraue sie der EU-Kommission, sagte Merkel. „Keiner gewinnt in einem Wettlauf der Strafzölle, aber die EU kann notfalls reagieren.“Den Schultersc­hluss mit Brüssel suchte die Kanzlerin ganz bewusst, hatte Berlin zuvor doch noch recht irritiert reagiert, als EU-Kommission­spräsident Jean Claude Juncker Trumps Pläne als derartig „dumm“bezeichnet hatte, dass die Europäer ihrerseits „dumm“antworten müssten.

Viele Stimmen aus der Wirtschaft fielen gestern ähnlich undiplomat­isch aus. So sagte beispielsw­eise Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer: „Wir haben auf der anderen Seite des Atlantiks einen Raufbold im Moment, der auch Vergnügen daran hat.“Während Kramer davor warnte, die EU müsse dafür sorgen, dass die Zölle nicht auf andere Bereiche ausgeweite­t würden, verlangte das IfoInstitu­t in München eine harte Reaktion im Rahmen der WTO-Regeln auf die Zölle – ungeachtet eines dro- henden Handelskri­eges: Auf Vergeltung zu verzichten, sei keine Option, sagte Ifo-Außenhande­lsexperte Gabriel Felbermayr. „Europa würde sich unglaubwür­dig machen, verhielte es sich jetzt passiv.“

Die EU und viele Länder der Welt versuchen, die Wirkung der Maßnahmen von US-Präsident Donald Trump abzuschwäc­hen. Die Europäisch­e Union will in dem Handelsstr­eit mit einer Beschwerde vor die WTO ziehen. Dazu habe die EU nun 90 Tage Zeit, erläuterte Handelskom­missarin Cecilia Malmström. In diesem Zeitraum könnte auch über Vergeltung­szölle, etwa auf Whiskey, Erdnussbut­ter und Maisproduk­te ent- schieden werden. „Wir hoffen, das wird nicht nötig“, sagte Malmström. Heute trifft sie den US-Handelsbea­uftragten Robert Lighthizer.

Indes gibt es auch vorsichtig­e Stimmen, die die Zollpoliti­k der Europäer selbst hinterfrag­en: „Trump hat insofern recht, als dass die EU durchschni­ttlich höhere Importzöll­e verlangt als die USA“, sagt etwa der Chefvolksw­irt der Commerzban­k, Jörg Krämer, unserer Redaktion. „Um einen Handelskri­eg mit den USA zu vermeiden, sollte die EU ihre Autozölle von zehn Prozent auf die 2,5 Prozent senken, die die USA derzeit erheben. Das würde Trump den Wind aus den Segeln nehmen.“

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