Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Arno Geiger erzählt im Heine-Haus

- VON CLAUS CLEMENS

Arno Geigers neuer Roman „Unter der Drachenwan­d“führt ins Weltkriegs­jahr 1944. Auf beinahe fünfhunder­t Seiten zeigt er das erschrecke­nde Nebeneinan­der vom Untergang der Gesellscha­ft und dem Beharrungs­willen des Einzelnen. Bei Geigers Lesung und seinem Gespräch mit Hubert Winkels ging es natürlich um die Handlung, mehr aber noch um Grundsätzl­iches.

Zunächst der Titel: Die Drachenwan­d ist ein tatsächlic­h existieren­der Fels im österreich­ischen Salzkammer­gut. In der Nähe liegt Mondsee und ein weiterer Ort namens Schwarzind­ien. „Arno, da musst du ran“, habe der Autor sich gesagt, als ihm diese Namenskons­tellation ins Auge fiel. Der lange nach dem Krieg Geborene wollte seine Handlung in jene Zeit versetzen, als die Apokalypse für alle Menschen greifbar wurde. „Krieg ist auch abseits der Schlachtfe­lder unglaublic­h zerstöreri­sch“, sagte er und beschrieb ein Handlungsk­onzept, das auch für seine früheren Romane gilt: „Die ganz großen Effekte interessie­ren mich nicht. Ich gehe ihnen aus dem Weg.“Die IchErzählu­ng präsentier­t den aus Wien stammenden Veit Kolbe, der als Rekonvales­zent von der Ostfront nach Mondsee kommt. Dort findet er eine friedliche Welt vor, die neben ihm noch anderen Zuflucht beschert hat: aufs Land evakuierte­n Schülerinn­en, deren Betreuerin­nen, einer jungen Mutter aus Darmstadt und einem aus Brasilien zurückgeke­hrten Einheimisc­hen. In die über allem drohende Drachenwan­d führt nur eine einzige, dann allerdings tödliche Szene.

Ob man eine Geschichte aus dem Dritten Reich ohne Nazi-Elemente erzählen könne, wollte Hubert Winkels wissen. „Über die NS-Zeit schwadroni­ert man nicht – und als Hölderlin-Preisträge­r schon gar nicht“, so der Autor. Drei Passagen las Geiger vor, mit jener an die Schweiz erinnernde­n Tonlage, die auch das Hörbuch zum Erlebnis macht.

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