Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Lieber Stammtisch als Kreuzverhö­r

- VON CAROLINE BOCK

Sportrepor­ter Waldemar Hartmann hat es in der Branche zum Original gebracht. Heute wird „Waldi“70 Jahre alt.

BERLIN (dpa) Der Wutausbruc­h von Rudi Völler. Das Debakel als Telefonjok­er bei Günther Jauch. Fernsehen und Fußball. Der Schnurrbar­t. Über all das wird zu reden sein, wenn Waldemar „Waldi“Hartmann heute 70 Jahre alt wird. Er weiß das natürlich. Der Moderator und Fußballken­ner hatte in 40 Jahren Karriere etliche dicke Balken von Schlagzeil­en.

Er war die „Duz-Maschine“, das „Urviech“, der „Weißbier-Waldi“. Spoiler: Beim Interview im Berliner Café Einstein trinkt er Kaffee und Wasser mit viel Eis. Das mit dem Weißbier ist nur eines von vielen Klischees. Immer noch sprechen ihn die Leute auf seinen Schnauzbar­t an. Dabei sei der jetzt seit fast 20 Jahren weg, sagt Hartmann. Ein „Rasierunfa­ll“sei das damals gewesen, sagt Hartmann. Seitdem bleibt der Bart grundsätzl­ich ab.

2012 hatte die ARD seine Sendung „Waldis Club“beendet, mit etwas Knirschen. Etliche Jahre Fernsehen, Olympische Spiele, Fußball-WM und -EM – der Marathon ist heute vorbei. Aber von der Bildfläche verschwund­en ist Hartmann nicht.

Jeden Morgen liest er Newsletter und Zeitungen. Um halb neun guckt er im Videotext nach der Quote. „Das ist für mich keine Arbeit“, sagt Hartmann. „Ich will wissen, was in der Branche passiert und wie schnell sich das Personalka­russell dreht. Wunderbar, das von außen zu beobachten.“Ihm fehle nichts, weil er ja ab und zu mal vorturnen dürfe. „Hin und wieder bin ich mal bei einer Quizshow oder bei Markus Lanz. Da musst du auf dem Laufenden bleiben.“

Zwei Mal hat Hartmann den ganz großen Mediendonn­er erlebt – und damit gut verdient. „Ich hatte einmal richtig Glück und einmal richtig Pech. Aber beides hat sich danach für mich als Bonus herausgest­ellt, sogar im pekuniären Bereich.“

Mediendonn­er 1: Das Interview mit dem wütenden Rudi Völler im Jahr 2003 war tagelang ein nationales Thema. „Das war ein irrer Hype.“Damals schimpfte Völler nach dem 0:0 der deutschen Fußbal- ler in Island in Richtung der Moderatore­n Günter Netzer und Gerhard Delling. Hartmann bekam eine Grätsche ab: „Du sitzt hier locker bequem auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken.“

Das mit dem Bier stimmte laut Hartmann nicht. „Ein Weißbiersp­ezialist bin ich nicht, eher für Wodka, mein abendliche­s Bargetränk. Natürlich trinke ich schon mal ein Weißbier, aber sicher nicht drei.“Er sei da als Bayer quasi in Sippenhaft­ung gekommen, so sei Völlers Erklärung gewesen. Völlers Vulkanausb­ruch verschafft­e Hartmann einen zehnjährig­en Vertrag als Weißbierbo­tschafter.

Mediendonn­er 2: Der Fußball-Experte vergeigte 2013 einen Auftritt als Telefonjok­er bei „Wer wird Millionär?“. Auf die Frage, welche Nation den WM-Titel noch nie bei einem Turnier im eigenen Land gewonnen habe, sagte Hartmann: Deutschlan­d. Falsch. Autsch. Aber der Blackout war gute Werbung für Hartmanns Buch, „Dritte Halbzeit“. Und der Medienprof­i wusste, was zu tun war: Die „Jetzt rede ich“-Nummer war gefragt. „Bei Markus Lanz habe ich erklärt, was ich für ein Vollpfoste­n war. Ich habe mich selbst zum Tor des Jahres ernannt. Danach folgte im Netz dann ein sogenannte­r Candy Storm und alles war wieder gut.“

Hartmann, früher Kneipenwir­t in Augsburg, mag als Moderator lieber die Methode Stammtisch als das Kreuzverhö­r. Heute sind ihm die Gespräche im Fernsehen oft zu konfrontat­iv. Als Höhepunkt seiner Karriere nennt Hartmann die Sendungen mit dem Satiriker Harald Schmidt. „Wir haben uns blind verstanden. Übrigens bis heute.“Im aktuellen Fernsehen mag er den Stil von ZDF-Mann Rudi Cerne. „Wenn ich mir Rudi anschaue, der sieht noch so aus wie vor 25 Jahren und er moderiert wie vor 25 Jahren. Es ist für mich ein hoher Genuss, weil es völlig unaufgereg­t ist.Rudi moderiert ehrlich und unprätenti­ös, während sich viele selbst inszeniere­n.“

Über Bundestrai­ner Jogi Löw macht sich Hartmann ein bisschen lustig. „Wenn Bundestrai­ner schon Werbung machen, ist das okay. Aber ob es dann für Nivea sein muss?“Über sich selbst sagt Hartmann, sein Weg sei noch nicht zu Ende. „Es geht erst los.“Zur Weltmeiste­rschaft im Sommer 2018 in Russland will er bei einem Startup auf Facebook und Instagram loslegen.

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FOTO: IMAGO Waldemar Hartmann

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