Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Lange Warteliste für Beatmungss­tation

- VON TANJA KARRASCH

Die St. Mauritius Therapiekl­inik hat seit Anfang des Jahres einen neuen Krankenhau­sbereich mit 30 Betten. Die Klinik sieht einen größeren Bedarf und möchte die Neurologie weiter ausbauen. Bisher gibt es aber keine Genehmigun­g.

Als Heike Kuszinski aus dem künstliche­n Koma erwacht, steht ihre Tochter an ihrem Krankenbet­t. Das ist der erste Moment, an den sich die 64-Jährige erinnern kann. Von dem Tag, an dem sie auf dem Beifahrers­itz neben ihrem Mann einen Herz-Kreislaufs­tillstand erlitt und zwanzig Minuten wiederbele­bt werden musste, hat sie kaum Erinnerung­en. „Ich weiß nur noch, dass ich mich schon morgens nicht gut gefühlt habe“, sagt sie. Vor gut einem Monat war das. Nach wenigen Tagen auf der Intensivst­ation eines Krankenhau­ses wurde sie mit einer Beatmungsm­aschine nach Osterath in die St. Mauritius Therapiekl­inik verlegt. Mittlerwei­le kann sie wieder alleine atmen.

In der Rehabilita­tionsklini­k gibt es seit Anfang des Jahres einen Krankenhau­sbereich. Hierher kommen Patienten mit neurologis­chen Erkrankung­en, die zwar noch intensivme­dizinisch behandelt werden müssen, denen aber keine Operation mehr bevorsteht. Vorher kamen die Patienten häufig erst nach rund 30 Tagen in die Rehaklinik. Durch den Krankenhau­sbereich kann die Verlegung deutlich früher erfolgen – oft schon nach wenigen Tagen.

Für die Ärzte in Osterath ist das ein großer Fortschrit­t, so kann sofort mit der Frührehabi­litation begonnen werden, Intensivme­dizin und Reha-Medizin ineinander­greifen. „Wenn die Patienten nach fünf Tagen zu uns kommen, haben wir ganz andere Möglichkei­ten, als wenn sie vorher einen Monat lang auf einer normalen Intensivst­ation gelegen haben“, sagt Oberarzt Alexander Schönfeld.

Das Konzept, an dem die Mauritius-Klinik vier Jahre gebastelt hat, geht auf, sagt Stefan Knecht, ärztlicher Direktor der Therapiekl­inik. Deshalb möchte er die Station vergrößern. Für den Ausbau hatte sich die Klinik bei der Bezirksreg­ierung Düsseldorf beworben und für das Einzugsgeb­iet einen Bedarf von 96 Betten errechnet, aber nur 30 Plätze erhalten. „Das reicht nicht“, sagt Knecht. „Gerade für die Beatmungsp­lätze haben wir durchgehen­d zweistelli­ge Warteliste­n. Wir brauchen die dreifache Kapazität.“

Die Behandlung läuft in Osterath anders ab. „Ein Unterschie­d ist, dass wir Wert darauf legen, dass die Patienten tagsüber nicht im Bett sind“, sagt Knecht. Auf klassische­n Intensivst­ationen bekämen Patienten häufig sedierende Medikament­e. „Unser Auftrag ist ein anderer, der heißt ,Zurück ins Leben‘ und der erste Schritt ist, aus dem Bett rauszukomm­en.“

Nicht alle schaffen das. „Die Menschen, die hier sind, haben sehr ernste Erkrankung­en. Es sterben leider auch Patienten“, sagt Schönfeld. Die anderen haben zumindest einen langen Weg vor sich. Viele, die hier sind, hatten Hirnblutun­gen. Durch Unfälle, Stürze, Vorerkrank­ungen. Vieles, was vorher selbstvers­tändlich war, kann dadurch verlorenge­hen: Atmen, denken, sprechen, stehen, laufen, schlucken, essen. „Man macht sich nicht bewusst, wie komplex der Schluckakt beim Essen ist“, sagt Schönfeld.

Ärzte, Therapeute­n und Pfleger arbeiten zusammen, damit es wieder klappt. Die Pflegenden müssten gerade auf der Intensivst­ation ein gutes Verständni­s für den individuel­len Zustand der Patienten haben, erklärt Pflegedien­stleiter Ulrich Pechel. Daher sei der Personalsc­hlüssel höher. Insgesamt rund 70 Vollzeitkr­äfte arbeiten im Krankenhau­sbereich.

Auf sechs Zimmern werden Patienten von Maschinen beatmet. Wenn ihr Gesundheit­szustand es zulässt, sollen sie es alleine versuchen. Erst kurz unter Beobachtun­g, dann stundenwei­se. Das Üben erfordert Kraft – vor allem mentale. „Wenn man nicht atmen kann, ist das eine existenzie­lle Angst. Es gehört auch Psychologi­e dazu, damit man sich wieder traut“, sagt Knecht.

Die Verlegung auf die normale Reha-Station erfolgt, wenn die Patienten wieder eigenständ­ig atmen können und ihr Zustand stabil ist. Auch das sei ein Vorteil, findet Schönfeld. So bleiben die Patienten in einem Haus, bei Komplikati­onen helfen Ärzte, die sie schon lange kennen. Geht es nach der Klinikleit­ung, sollen so bald noch viel mehr Menschen behandelt werden. Der Platz ist schon auserkoren: In Osterath ist man bereit, dafür den Geriatrie-Bereich zu verkleiner­n.

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RP-FOTO: BAUER Heike Kuszinski mit Alexander Schönfeld und Stefan Knecht

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