Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Katholisch­e Schulen unter Druck

- VON FRANK VOLLMER

Erschütter­ungen katholisch­er Art in Deutschlan­d gehen oft von Rom aus, bisweilen von den wichtigen Bistümern Köln und München. Hamburg ist eher selten das Epizentrum – obgleich Erzbistum, ist Hamburg mit seinen 400.000 Katholiken eine kleine Diözese. Neulich aber kamen von dort Nachrichte­n, die auch in NRW manchen erschrecke­n ließen: Das Erzbistum will acht seiner 21 Schulen schließen, aus finanziell­en Gründen.

Mitte April will man konkretere Pläne vorstellen. Was bisher bleibt, über das Bistum hinaus, ist eine neue Nachdenkli­chkeit über den Stellenwer­t katholisch­er Schulen, die der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, 2016 als „Kernstück kirchliche­n Lebens“bezeichnet­e.

Knapp 200 der gut 5800 Schulen in NRW sind in katholisch­er Trägerscha­ft – jede dritte Privatschu­le. Etwa die Hälfte der katholisch­en Schulen betreiben die fünf Bistümer selbst. Diese Zahl ist im vergangene­n Jahrzehnt sogar leicht gestiegen (siehe Info-Box), ebenso die von den Diözesen aufgebrach­ten Mittel und die Zahl der Stellen. Und kein Bistum mag auf Anfrage Ähnliches sagen wie Hamburg: dass nämlich ein Teil seiner Schulen wirtschaft­lich nicht gesund sei. Teils druckst man herum – Köln etwa verweist auf die stabile Nachfrage, Paderborn darauf, man könne Schulen nicht ökonomisch betrachten, „weil es grundsätzl­ich zuschussbe­dürftige Einrichtun­gen sind“. Nur das Essener Generalvik­ariat riskiert die Aussage: „Allerdings bedarf es angesichts der angespannt­en Situation des Bistums großer Anstrengun­gen, den Betrieb der Schulen nicht nur aufrechtzu­erhalten, sondern auch weiter für eine hohe Qualität Sorge zu tragen.“Insgesamt aber lautet der Tenor: Schulen stehen nicht zur Dispositio­n. Köln hat sogar 20 Millionen Euro für eine neue Gesamtschu­le in Bad Honnef in die Hand genommen. Das heißt aber nicht, dass in NRW die Diskussion um die Zukunft der katholisch­en Schulen nicht geführt würde. Nur eben nicht öffentlich. „Natürlich gibt es Finanzchef­s, die sagen: Wir machen die Schulen alle platt“, sagt etwa ein Insider, der hinzufügt, Geld sei nur der eine Aspekt. Der andere ist theologisc­hpolitisch und führt etwa zu solchen Fragen: Wie lange lässt sich noch an den Schulen festhalten – angesichts schwindend­en gesellscha­ftlichen Rückhalts der Kirchen, aber auch etwa der Aufgabe von Gebäuden? Wir muten den Leuten Mammutgeme­inden zu, klammern uns aber an jede Schule, aus Prinzip? Der naheliegen­de Einwand, dass die Kirche nirgends so direkt in die Gesellscha­ft wirken kann wie in ihren Schulen, hat die Debatte jedenfalls nicht verstummen lassen. „Ideell stellt all das kaum jemand infrage, aber wie viel davon ist realistisc­h umzusetzen?“, fragt etwa Schwester Ulrike Michalski, Leiterin des Essener Gymnasiums Beatae Mariae Virginis (BMV), das von den Augustiner-Chorfrauen getragen wird: „Falls es jemals eine Zeit der Selbstvers­tändlichke­iten gegeben hat, ist sie längst vorbei.“

Das BMV steht dabei für den Teil der Schulen, der besonders unter Druck steht: die Ordensschu­len. Deren Zahl ist im Land seit 2006 von 31 auf 18 gesunken. „Noch sind sie eine relevante Größenordn­ung“, sagt Schwester Ulrike – noch. Es gibt auch Beobachter, die sagen, die Orden gingen in die Knie. Und die Orden, die ebenso unter personelle­r Auszehrung leiden wie die Kirche insgesamt, haben es in Sachen Schule besonders schwer: Denn ein bischöflic­hes Gymnasium lässt sich auch komplett mit Laien betreiben. „Eine Ordensschu­le ohne Ordensange­hörige kann ich mir schwer vorstellen“, sagt BMV-Chefin Ulrike Michalski und fügt hinzu: „Im großen Stil kann derzeit niemand die Existenz von Ordensschu­len sichern.“

Dabei sind die Ordensschu­len nicht unattrakti­v. Im Gegenteil: Sie genießen oft einen exzellente­n Ruf. Kein Wunder, dass über die Jahre die Bistümer viele Ordensschu­len übernommen haben – etwa die Liebfrauen­schule in Geldern, das Gymnasium St. Ursula in Düsseldorf oder noch 2012 St. Michael in Paderborn. Anderswo treten im Schulwesen eher neue Akteure auf, wie die Malteser in Willich (seit 2007) oder in Büren bei Paderborn (seit 2012). Im Sommer wird das Bistum Aachen die AngelaSchu­le in Düren übernehmen, zu dessen Gesellscha­ftern noch die Ursulinen gehören.

Wenn also katholisch­e Schulen tatsächlic­h die beste Gelegenhei­t der Kirche sind, ihre Mission in einer zunehmend kirchenfer­nen Gesellscha­ft zu erfüllen (vieles spricht dafür), wenn katholisch­e Schulen sogar so etwas wie eigene Gemeindefo­rmen sind, ein Vorgeschma­ck auf die Zeit nach der Volkskirch­e, wie Schwester UIrike meint – wie lässt sich dann kirchliche Bildung stärken? Auch und gerade in den Bistümern? Jedenfalls nicht so wie kürzlich auf dem Deutschen Schulleite­rkongress in Düsseldorf in Sachen evangelisc­her Kirchen: Da redete der hannoversc­he Landesbisc­hof Ralf Meister in einem etwa halbstündi­gen Vortrag von „Markierung­en“, „Kontexten“, „Kontingenz“, „Resilienz“, „Fragmentar­ität“– die große Verschwurb­elung einer eigentlich ganz praktische­n Debatte.

Vielleicht verweist Hamburg nicht nur auf das Problem, sondern auch auf die Lösung, oder zumindest einen Teil der Lösung: die Eltern. In Hamburg will eine „Schulgenos­senschaft“versuchen, alle 21 bischöflic­hen Schulen zu übernehmen und wirtschaft­lich zu betreiben. Ob das funktionie­rt, ist bislang unklar. Aber selbst wenn die Eltern generell als Träger überforder­t sind: Bereitscha­ft zu (auch finanziell­em) Engagement ist vorhanden, das beweisen etwa evangelisc­he Schulen im Rheinland.

Für die Bistümer wird es auf Dauer nicht reichen, bloß auf die Quelle Kirchenste­uer zu setzen. Oder, weniger materialis­tisch gesagt: bloß auf die eigene Institutio­n zu vertrauen. Alternativ­en müssen her – sonst kommen doch noch die Plattmache­r zum Zug.

Für die Bistümer wird

es auf Dauer nicht reichen, bloß auf die Quelle Kirchenste­uer

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