Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Schlechte Noten fürs Baukindergeld
Junge Familien, die Wohneigentum erwerben wollen, sollen vom Staat bald pro Kind und Jahr 1200 Euro erhalten. Immobilienexperten und Verbände halten das für kontraproduktiv, weil so nur die Preise in die Höhe getrieben würden.
BERLIN Das von der großen Koalition geplante Baukindergeld für junge Familien droht nach Einschätzung von Immobilienexperten trotz Milliardenkosten für die Steuerzahler seine Ziele zu verfehlen. „Das Baukindergeld dürfte insgesamt ähnlich negative Effekte wie die im Jahr 2006 zu Recht abgeschaffte Eigenheimzulage entfalten“, heißt es in einer noch unveröffentlichten Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die unserer Redaktion vorliegt. Demnach würde das Baukindergeld vor allem in den Regionen den Neubau von Eigenheimen fördern, in denen in späteren Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung wieder Leerstände drohten. In den Ballungsräumen werde es vor allem die Immobilienpreise weiter erhöhen.
Da die Preise in den vergangenen Jahren vor allem rund um die großen Städte stark gestiegen sind, können sich junge Familien den Kauf eines eigenen Hauses oder einer eigenen Wohnung oft nur noch schwer oder gar nicht leisten. Die große Koalition will daher zügig ein Baukindergeld einführen. Pro Kind und Jahr sollen Familien mit 1200 Euro vom Staat unterstützt werden – über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dabei soll eine Einkommensgrenze gelten. Wenn die Familie mehr als 75.000 Euro pro Jahr versteuert, soll sie den Zuschuss nicht erhalten. Allerdings soll zusätzlich pro Kind ein Freibetrag von 15.000 Euro eingeführt werden, so dass eine Familie mit nur einem Kind über ein Bruttoeinkommen von bis zu rund 100.000 Euro im Jahr verfügen kann, um noch in den Genuss der Zulage kommen zu können.
Die Kosten für den Staat schätzt das IW auf 370 bis 485 Millionen Euro im ersten Jahr. „Insgesamt wird das Baukindergeld bis 2021 den Fiskus bei einer Einführung noch 2018 mindestens 3,6 Milliarden Euro kosten, wobei die Tendenz eher Richtung vier bis fünf Milliarden Euro geht“, schreiben die Gutachter Michael Voigtländer und Ralph Henger. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen hatte das Bundesfinanzministerium die Kosten in der Endstufe mit jährlich vier Milliarden Euro beziffert.
„Neben den hohen Kosten ist vor allem die Anreizwirkung des Baukindergelds kritisch“, heißt es in der Studie. Wegen des festen Betrags sei die Wirkung in ländlichen Räumen und strukturschwachen Städten deutlich größer als in den gefragten Ballungsräumen. Ebenso wie die Eigenheimzulage werde das Baukindergeld damit vor allem den Neubau in Regionen anregen, in denen nur wenig Baubedarf vorliege. „Hierdurch können sich Leerstandsprobleme verstärken.“Daher sollte der Staat in diesen demografisch belasteten Märkten das Baukindergeld nur auf den Kauf von Bestandsimmobilien beschränken.
„In Ballungsgebieten mit geringem Baulandangebot und wenig Möglichkeiten zur Ausweitung des Angebots wird das Baukindergeld hingegen zu höheren Preisen beitragen, da Bauträger das Baukindergeld einpreisen können“, schreiben Voigtländer und Henger. Zudem drohten Mitnahmeeffekte, da auch viele Haushalte eine Förderung erhalten würden, die ohne sie auch Eigentum erworben hätten. Das Ziel der Regierung, die Bildung von Wohneigentum zu fördern, sei aber richtig. Als Alternative zum Baukindergeld empfehlen die Experten, die den Ländern zustehende Grunderwerbsteuer durch Freibeträge zu reduzieren und Familien, die über zu wenig Eigenkapital verfügen, bei der Kreditaufnahme durch staatliche Bürgschaften zu unterstützen.
Auch Verbände kritisierten das Baukindergeld. Es sei ein „ineffizientes Wohlfühlprogramm“, hieß es beim Bund der Steuerzahler. „Beim Baukindergeld hätte man den Familien viel mehr helfen können, wenn die Grunderwerbsteuer herabgesenkt würde“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbunds. In Berlin etwa werde beim Kauf einer Wohnung im Wert von 350.000 Euro eine Grunderwerbsteuer von 18.000 Euro fällig. Kritik kam auch von Hauseigentümerverbänden und vom Mieterbund. „Das wird eins zu eins auf die Kosten draufgeschlagen“, sagte Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Eine Neuauflage der Eigenheimzulage sei nicht wünschenswert, sagte Haus- und Grund-Präsident Kai Warnecke.