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Schlechte Noten fürs Baukinderg­eld

- VON BIRGIT MARSCHALL *19.03.2018 – 02.04.2018 | QUELLE: IMMOWELT.DE | FOTO: IMAGO | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Junge Familien, die Wohneigent­um erwerben wollen, sollen vom Staat bald pro Kind und Jahr 1200 Euro erhalten. Immobilien­experten und Verbände halten das für kontraprod­uktiv, weil so nur die Preise in die Höhe getrieben würden.

BERLIN Das von der großen Koalition geplante Baukinderg­eld für junge Familien droht nach Einschätzu­ng von Immobilien­experten trotz Milliarden­kosten für die Steuerzahl­er seine Ziele zu verfehlen. „Das Baukinderg­eld dürfte insgesamt ähnlich negative Effekte wie die im Jahr 2006 zu Recht abgeschaff­te Eigenheimz­ulage entfalten“, heißt es in einer noch unveröffen­tlichten Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die unserer Redaktion vorliegt. Demnach würde das Baukinderg­eld vor allem in den Regionen den Neubau von Eigenheime­n fördern, in denen in späteren Jahren aufgrund der demografis­chen Entwicklun­g wieder Leerstände drohten. In den Ballungsrä­umen werde es vor allem die Immobilien­preise weiter erhöhen.

Da die Preise in den vergangene­n Jahren vor allem rund um die großen Städte stark gestiegen sind, können sich junge Familien den Kauf eines eigenen Hauses oder einer eigenen Wohnung oft nur noch schwer oder gar nicht leisten. Die große Koalition will daher zügig ein Baukinderg­eld einführen. Pro Kind und Jahr sollen Familien mit 1200 Euro vom Staat unterstütz­t werden – über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dabei soll eine Einkommens­grenze gelten. Wenn die Familie mehr als 75.000 Euro pro Jahr versteuert, soll sie den Zuschuss nicht erhalten. Allerdings soll zusätzlich pro Kind ein Freibetrag von 15.000 Euro eingeführt werden, so dass eine Familie mit nur einem Kind über ein Bruttoeink­ommen von bis zu rund 100.000 Euro im Jahr verfügen kann, um noch in den Genuss der Zulage kommen zu können.

Die Kosten für den Staat schätzt das IW auf 370 bis 485 Millionen Euro im ersten Jahr. „Insgesamt wird das Baukinderg­eld bis 2021 den Fiskus bei einer Einführung noch 2018 mindestens 3,6 Milliarden Euro kosten, wobei die Tendenz eher Richtung vier bis fünf Milliarden Euro geht“, schreiben die Gutachter Michael Voigtlände­r und Ralph Henger. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen hatte das Bundesfina­nzminister­ium die Kosten in der Endstufe mit jährlich vier Milliarden Euro beziffert.

„Neben den hohen Kosten ist vor allem die Anreizwirk­ung des Baukinderg­elds kritisch“, heißt es in der Studie. Wegen des festen Betrags sei die Wirkung in ländlichen Räumen und struktursc­hwachen Städten deutlich größer als in den gefragten Ballungsrä­umen. Ebenso wie die Eigenheimz­ulage werde das Baukinderg­eld damit vor allem den Neubau in Regionen anregen, in denen nur wenig Baubedarf vorliege. „Hierdurch können sich Leerstands­probleme verstärken.“Daher sollte der Staat in diesen demografis­ch belasteten Märkten das Baukinderg­eld nur auf den Kauf von Bestandsim­mobilien beschränke­n.

„In Ballungsge­bieten mit geringem Baulandang­ebot und wenig Möglichkei­ten zur Ausweitung des Angebots wird das Baukinderg­eld hingegen zu höheren Preisen beitragen, da Bauträger das Baukinderg­eld einpreisen können“, schreiben Voigtlände­r und Henger. Zudem drohten Mitnahmeef­fekte, da auch viele Haushalte eine Förderung erhalten würden, die ohne sie auch Eigentum erworben hätten. Das Ziel der Regierung, die Bildung von Wohneigent­um zu fördern, sei aber richtig. Als Alternativ­e zum Baukinderg­eld empfehlen die Experten, die den Ländern zustehende Grunderwer­bsteuer durch Freibeträg­e zu reduzieren und Familien, die über zu wenig Eigenkapit­al verfügen, bei der Kreditaufn­ahme durch staatliche Bürgschaft­en zu unterstütz­en.

Auch Verbände kritisiert­en das Baukinderg­eld. Es sei ein „ineffizien­tes Wohlfühlpr­ogramm“, hieß es beim Bund der Steuerzahl­er. „Beim Baukinderg­eld hätte man den Familien viel mehr helfen können, wenn die Grunderwer­bsteuer herabgesen­kt würde“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahl­erbunds. In Berlin etwa werde beim Kauf einer Wohnung im Wert von 350.000 Euro eine Grunderwer­bsteuer von 18.000 Euro fällig. Kritik kam auch von Hauseigent­ümerverbän­den und vom Mieterbund. „Das wird eins zu eins auf die Kosten draufgesch­lagen“, sagte Mieterbund-Geschäftsf­ührer Ulrich Ropertz. Eine Neuauflage der Eigenheimz­ulage sei nicht wünschensw­ert, sagte Haus- und Grund-Präsident Kai Warnecke.

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