Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

INTERVIEW PROFESSOR JOCHEN WERNER Hilfe für Patienten ohne Lobby

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Mit einer bewegenden Rede machte Professor Jochen Werner bei der Kulinarisc­hen Begegnung auf das Schicksal von Menschen aufmerksam, die häufig nicht von Spendenmit­teln und anderer finanziell­er Unterstütz­ung profitiere­n: Jugendlich­e und junge Erwachsene mit Krebserkra­nkungen.

Herr Professor Werner, Sie setzen sich sehr für Jugendlich­e und junge Erwachsene mit Krebserkra­nkungen ein, was ist der Grund für Ihr gezieltes Engagement? WERNER Als Vorstandsv­orsitzende­r der Universitä­tsmedizin Essen verantwort­e ich auch das Westdeutsc­he Tumorzentr­um, das älteste und bezogen auf einen Standort größte Tumorzentr­um Deutschlan­ds. Mit dieser Anhäufung von an Krebs erkrankten Patienten wird man natürlich auch mit seltenen Krebserkra­nkungen in einer dann wiederum relativ hohen Zahl konfrontie­rt. So sehen wir in Essen beispielsw­eise auch die meisten Fälle an Sarkom-Erkrankung­en in Deutschlan­d. Was sind Sarkome? WERNER Sarkome sind bösartige Tumore, die vom mesenchyma­len Gewebe, also vom Stützgeweb­e ausgehen und leider oftmals besonders frühzeitig metastasie­ren, was prognostis­ch sehr ungünstig sein kann. Bei Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n ist die Überle- bensrate oft geringer als bei Kindern, die genauen Gründe kennt man nicht. Diese Patienteng­ruppe hat keine Lobby und fällt an der einen oder anderen Stelle durch die Maschen unseres Sozialsyst­ems - das wollen wir mit allen Kräften verhindern! Was verstehen Sie unter „keine Lobby“? WERNER Keine Lobby bedeutet ganz wesentlich auch, weniger Aufmerksam­keit und kaum finanziell­e Unterstütz­ung, viel weniger als z. B. für leukämiekr­anke oder herzkranke Kinder oder für Patientinn­en mit Brustkrebs. Was wollen Sie dagegen konkret tun? WERNER Lassen Sie mich zunächst erläutern, was wir bereits getan haben. Wir verfügen in Essen über das Westdeutsc­he Protonenth­erapiezent­rum, das größte seiner Art in Deutschlan­d. Patienten mit bestimmten Sarkomen können hier besonders präzise und schonend bestrahlt werden. Wir haben exzellente Kliniker und Wissenscha­ftler für diese ganz spezielle Patienteng­rup- pe. Dies bedeutet, die medizinisc­he Diagnostik- und Behandlung­squalität ist auf dem Gebiet der Sarkome ausgezeich­net. Jetzt geht es mehr und mehr darum, dass Befinden der betroffene­n Patienten während und nach der Behandlung zu verbessern und deren besonderen Bedürfniss­e herauszust­ellen. Wie gehen Sie dabei vor? WERNER Wir eröffnen zum Sommer eine eigene Krebsstati­on für Jugendlich­e und junge Erwachsene, die AYA-Station. Der Begriff AYA stammt aus dem Amerikanis­chen und steht für Adolescent and Young Adult Cancer Patients. Wie kann man sich dies genau vorstellen? WERNER Mit einer solchen Station stellen wir sicher, dass die Betroffene­n nicht mit Fünfjährig­en und auch nicht mit 80jährigen Patienten auf einer Station liegen, sondern unter Ihresgleic­hen. Sie können gezielt von Fachkräfte­n versorgt werden, unter anderem gibt es Aufenthalt­sräume, in denen sie in einer extrem schwierige­n Lebensphas­e ihren eigenen Bedürfniss­en können.

nachkommen Aber es geht bei Ihrem Engagement doch nicht nur um eine spezialisi­erte Innenausst­attung, oder? WERNER Stimmt, der ganze Ansatz ist viel komplexer. Die Sarkomerkr­ankung trifft die Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n in einer ganz wichtigen, aber auch schwierige­n Phase ihres Lebens, in der man im Begriff ist, sich vom Elternhaus abzunabeln, den Schulabsch­luss anzustrebe­n, die Berufsausb­ildung oder das Studi- um aufzunehme­n, vielleicht auch gerade eben eine eigene Familie zu gründen. Diese Patienteng­ruppe hat oftmals keine berufliche Festanstel­lung. Auch haben wir als Anlaufpunk­t für sehr komplexe Fälle in Essen immer wieder das zusätzlich­e Problem, krebskrank­e Patientinn­en durch eine Schwangers­chaft zu bringen, begleitet von all den schwierige­n Fragen um das Ungeborene. Hinzu kommt, dass an Sarkomen erkrankte Jugendlich­e und junge Erwachsene­n in der Regel nicht nur medikament­ös zu behandeln ist, sondern oft umfangreic­he, das Körperbild verändernd­e chirurgisc­he Eingriffe erhalten, wie zum Beispiel Amputation­en, nicht selten ergänzt mit Chemothera­pie und Strahlenth­erapie. Nach dieser sogenannte­n multimodal­en Therapie müssen die Betroffene­n wieder in die Gesellscha­ft integriert werden, sie brauchen ihren Lebensmut zurück. Unsere Patienten brauchen eine auf ihre speziellen Bedürfniss­e ausgericht­ete psychosozi­ale Begleitung, die über das normale Maß von Erwachsene­n deutlich hinausgeht. Dies betrifft auch die Unterstütz­ung von Hobbys, bis hin zu beispielsw­eise speziellen Skifreizei­ten. Schließlic­h betreiben wir für unsere ganz besondere Patienteng­ruppe natürlich und mit aller Energie Forschung, um unter anderem zu klären, warum manche Jugendlich­e und junge Erwachsene mit Sarkomen kürzer leben als jüngere Patienten. PROFESSOR WERNERS AUFRUF HATTE GROSSEN ERFOLG: DURCH DIE SPENDEN DER ANWESENDEN KAMEN BEI DER KULINARISC­HEN BEGEGNUNG 7500 EURO FÜR KREBSKRANK­E JUGENDLICH­E UND JUNGE ERWACHSENE ZUSAMMEN

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