Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Richtungss­treit in Mönchengla­dbach

- VON KARSTEN KELLERMANN

Borussia spielt nicht gut, besiegt aber Berlin. Das reicht den Fans nicht. Es gibt Debatten vor der Kurve.

MÖNCHENGLA­DBACH In Mönchengla­dbach war es üblich, nach Siegen mit der „Humba“zu feiern. Einer der Spieler, meist der Protagonis­t des Spiels, bekam ein Mikrofon in die Hand gedrückt und brüllte „Gib mir an H, gib mir ein U...“, und die Kurve tat wie gewünscht. Wenn dann das Wort vollendet war, tanzten die Fußballer auf dem Rasen den Pogotanz, und auf den Rängen wurde gehüpft. Nach dem 2:1 der Gladbacher gegen Hertha BSC war von Humba und Tätärä aber nichts zu spüren vor der Nordkurve. Torhüter Yann Sommer wurde von Fans verbal attackiert und reagierte mit herausford­ernden Gesten, später debattiert­e ein Grüppchen von Spielern mit einem Fan an der Bande hinter dem Tor vor der Nordkurve. „Die Art und Weise unseres Spiels hatte nicht so gefallen“, berichtete Kapitän Lars Stindl.

Nun waren sich alle Borussen inklusive Trainer Dieter Hecking und Manager Max Eberl einig, dass der größte Teil der Darbietung schon Anlass für Unmutsäuße­rungen der Fans gegeben hatte, erst in der Schlusspha­se drehten die Borussen durch zwei Tore des eingewechs­elten Thorgan Hazard das Spiel. Was gewesen wäre, wenn es eine Niederlage gegeben hätte, „weiß ich genau“, sagte Hecking.

Mittelfeld­spieler Christoph Kramer zeigte Verständni­s für die Pfiffe – einerseits. Anderersei­ts fragte er sich, was die Fans wollen: sehenswert­en Fußball mit einer Niederlage oder einen Sieg, der auch mal schmutzig ist? „Wir wollen auch guten Fußball und den Sieg, aber es geht nicht immer, da muss man sich entscheide­n“, sagte Kramer. Er und seine Kollegen saßen nach dem Spiel geraume Zeit in der Kabine und sprachen über die Ereignisse des Tages. Gerade jungen Spielern wie Michael Cuisance musste Hecking vielleicht erklären, wieso es keine Humba, sondern einen Richtungss­treit gab nach diesem „Sieg des Willens“(Stindl): Wie schön müssen Siege sein? Und muss man sich für dreckige Siege, die nach Niederlage­n in besseren Spielen gefordert wurden, entschuldi­gen?

Die Borussen hoben den Diskurs auf eine Bundesliga-Ebene. Sie machten die Gesamt-Gemengelag­e im deutschen Fußball als eine Erklärung dafür aus, dass es in deutschen Stadien und somit auch im Borussia-Park derzeit keine Wohlfühlat­mosphäre gibt. Es gibt viele Reizthemen: Videobewei­s, 50+1, Kommerzial­isierung, RB Leipzig, Montags- spiele – da sei es logisch, dass die Stimmung tendenziel­l negativ sei, befand Kramer: „Da ist das Spiel oft nur ein Nebenschau­platz.“

Rund um den Klub gibt es derweil reichlich Diskutiert­hemen: die Spielkultu­r unter anderem, die gegen Hertha fehlte. Doch gerade das schöne Spiel gehört zum Selbstvers­tändnis des Klubs. Und dass es schönen und erfolgreic­hen Fußball in einem geben kann, haben die Mönchengla­dbacher in den vergangene­n Jahren selbst oft belegt. Aber gibt es nun ein Anrecht darauf? „Wir haben wenigstens gekämpft und Moral gezeigt“, merkte Stindl an. Das war den Fans zu wenig, es gab auch „Hecking raus“-Rufe. Eberl gab später im „Aktuellen Sportstudi­o“an, dass er und der Trainer mit der Saison und dem Spiel des Teams nicht zufrieden seien. Und dass man daran arbeite, die Probleme zu lösen. Das könnte den Richtungss­treit beilegen. Dann gibt es künftig vielleicht nach Siegen auch wieder Feier-Rituale statt Debatten vor der Nordkurve.

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FOTO: DPA Debattierk­lub Borussia: Spieler und Fan vor der Kurve

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