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KULTURTIPPS
Großartige Chormusik von Lili Boulanger Die Poesie der Landschaften Italiens
Theater Die Künstlergruppe Machina Ex entwirft Computer-Theaterspiele, sie nimmt Anmutung und Abläufe virtueller Games auf und überführt sie mit hohem technischen Aufwand in die Gegenwart ihrer Zuschauer. Allerdings sollte man mit dem Begriff des Zuschauers bei Machina Ex vorsichtig sein, denn bei den Produktionen der Gruppe schaut man niemals nur zu, stets wird man Teil der Aufführung. Sie machen einen zur Spielfigur. Im Forum Freies Theater (FFT) in Düsseldorf zeigen Machina Ex nun jedenfalls eine neue Produktion, sie heißt „Endgame“– bitte nicht verwechseln mit Samuel Becketts gleichnamigem Stück. In „Endgame“geht es für die Theaterbesucher in die Kampfzonen des Internets, dort soll nichts weiter als die Demokratie verteidigt werden. Das FFT zeigt das Stück vom 19. bis zum 21. April, jeweils um 19 und 21 Uhr. Karten gibt es im Internet unter: www.fft-duesseldorf.de
kl Klassik Über die Jahre haben sich die Fenster weit und weiter geöffnet, wir schauen jetzt genauer in die Welt der Musik, und auch ganz ohne feministischen Imperativ darf man sagen: Dass unsere Musik so reich ist, hat auch mit den vielen famosen Komponistinnen zu tun. Mit Hildegard von Bingen. Mit Fanny Hensel. Mit Clara Schumann. Mit Sofia Gubaidulina. Mit Adriana Hölszky. Mit Rebecca Saunders.
Und mit Lili Boulanger (1893 bis 1918), dieser wunderbaren französischen Komponistin, die als erste Frau im Jahr 1913 mit einer Kantate für Singstimmen und Orchester den begehrten „Grand Prix de Rome“gewann. Sie entstammte einer musikalischen Familie, ihre Schwester war Nadia Boulanger, im Haus der Eltern gingen berühmte Komponisten und Literaten ein und aus. Obwohl Lili an schweren Erkrankungen litt (einem chronischen Lungenleiden und an Morbus Crohn, einer entzündlichen Magen-Darm-Krankheit) und nicht in die Schule gehen konnte, sog sie doch alles Musikalische tief in sich auf. Immer wieder nahm sie Unterricht bei Koryphäen, so dem großen Organisten Louis Vierne und dem nicht minder bedeutenden Gabriel Fauré. Auch mit Maurice Ravel hatte sie intensiven Kontakt. Roman Esther Kinsky hat ein neues Buch geschrieben, es heißt „Hain“, und die Autorin nennt es einen „Geländeroman“. Selten sind italienische Landschaften und Menschen so genau und poetisch beschrieben worden. In drei Erzählabschnitten führt „Hain“in ein Italien abseits der verklärten Kunst- und Reiseziele wie Florenz oder Venedig. Handlungsort ist etwa das Örtchen Olevano Romano in den Hügeln nordöstlich von Rom. Es ist eins der drei Reiseziele der Ich-Erzählerin, die um ihren jüngst verstorbenen Lebensgefährten trauert. Sie liest die sie umgebende Landschaft, beschreibt detailreich, was sie sieht, hört, riecht und fühlt. Erinnerungen und Vorstellungen verschmelzen dabei, die äußere Landschaft wird zum Spiegel der inneren. Esther Kinskys Thema, die Erfassbarkeit der Wahrnehmung durch Sprache, gelingt ihr in „Hain“eindrucksvoll. Im März hat der Roman den Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen. lhen Esther Kinsky: „Hain“, Suhrkamp, 287 Seiten, 24 Euro.
Viele Werke hat Lili Boulanger, die ja nur 24 Jahre alt wurde, der Nachwelt nicht hinterlassen. Um so höher ist der Wert einer neuen CDProduktion aus dem Carus-Verlag anzusehen, die eine Sammlung ihrer Chorwerke bietet, darunter die einnehmend schöne „Hymne au Soleil“. Boulangers Tonsprache ist reif, harmonisch sehr expressiv und überhaupt nicht schüchtern. Selbst in ihren Psalm-Vertonungen zieht sie alle Register. Ihre Art, den Impressionismus der damaligen Zeit anzuwenden und doch in tonaler Ordnung zu bleiben, ist sehr individuell und sehr persönlich.
Das von Michael Alber geleitete Orpheus Vokalensemble, ein professioneller, international besetzter Kammerchor aus Baden-Württemberg, singt diese Musik mit exzellentem Gespür für ihren exquisiten Zauber. Deklamation, Intonation, Ausdruck: Alles wird hier auf hohem Niveau realisiert. Am Klavier ist Antonii Baryshevskyi ein glänzender, subtiler Begleiter. Wolfram Goertz