Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

27 Jahre, unprätenti­ös, kompetent

- VON REGINE MÜLLER

In der Tonhalle lieferte Dirigent Alpesh Chauhan bei den Symphonike­rn ein fulminante­s Debüt

Die Zeit der großen Zampanos am Dirigenten­pult scheint endgültig abgelaufen. Der britische Dirigent Alpesh Chauhan ist ein Vertreter der jüngsten Dirigenten-Generation, die heute mit ihrer unprätenti­ösen Art den Gegenpol zu den Pult-Despoten und Sonderling­en vergangene­r Tage bilden. Der junge Brite demonstrie­rt in der Tonhalle mit einem gewaltigen Programm aber nun nicht nur Teamfähigk­eit, sondern eine stupende Kompetenz, die umso eindringli­cher wirkt durch seine Bescheiden­heit, die den eigenen Applaus am liebsten weitergibt.

Gewichtigs­ter Programmpu­nkt des zweieinhal­b Stunden langen Abends ist Bruckners ausufernde Vierte, die Chauhan mit seinen gerade einmal 27 Jahren mit souveräner Leichtigke­it organisier­t.

Aber der Reihe nach, denn schon die erste Hälfte dieses bemerkensw­erten Abends lässt aufhorchen. Zu Ludwig van Beethovens Ouvertüre von „Die Geschöpfe des Prometheus“treten die Düsseldorf­er Symphonike­r in verschlank­ter Besetzung auf, und Chauhan versteht das selten zu hörende Werk ganz luzide und entschlack­t – eben als ein Stück Ballettmus­ik und nicht als dräuende Ahnung kommender SymphonieH­eldentaten.

Es folgt Wolfgang Amadeus Mozarts „Sinfonia Concertant­e“EsDur für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Orchester, ein Werk, des- sen Echtheit bezweifelt wird, weil es möglicherw­eise gar nicht aus Mozarts Feder stammt. Wiederum in Kammerorch­ester-Stärke spielen die Symphonike­r mit charmanter Eleganz auf, Chauhan ermuntert zu sprechende­n Phrasierun­gen und strukturie­renden Akzenten bei frischer Gangart, und die vier Solisten sorgen für das erste Bläser-Fest des Abends.

Das Solisten-Quartett mit Gisela Hellrung (Oboe), Wolfgang Esch (Klarinette), Quirin Rast (Horn) und Veikko Braeme (Fagott) stammt aus den Reihen des Orchesters und musiziert mitreißend lustvoll, technisch makellos, klangschön und aufs Innigste verzahnt.

Und dann Bruckner. Schon allein Uwe Schrumpfs grandiose HornSoli sind ein Ereignis. Wie er beim gefürchtet­en Beginn des ersten Satzes über den von Chauhan bewusst trocken intonierte­n Streicher-Tremoli die Horn-Rufe wie aus weiter Ferne sehnsuchts­voll anstimmt und dann völlig frei formuliere­nd aus- singt, ist wahrhaft famos und von höchster musikalisc­her Intelligen­z. Überhaupt müssen sich die Bläser nicht verstecken hinter den vier Mozart-Solisten, die nun bei Bruckner frei haben.

Prägend ist vor allem die von Schrumpf angeführte fabelhafte Horngruppe, herausrage­nd Guilherme Sousas Oboen-Soli, und auf durchweg homogenem Niveau alle weiteren Holz- und Blechbläse­r, vor allem letztere fordert Bruckner ja besonders. Bei den Bläsern der Düsseldorf­er Symphonike­r hat es einen Niveau-Quantenspr­ung gegeben, der es Chauhan ermöglicht, erst recht aus dem Vollen zu schöpfen. So kann er mit etlichen BrucknerVo­rurteilen aufräumen und treibt der „Romantisch­en“das sonst sich oft einschleic­hende schwerfäll­ige Stampfen gründlich aus.

Chauhan weicht den wuchtigen Stellen und den soghaft sich steigernde­n Crescendi aber keineswegs aus, sondern feuert die Höhepunkte sogar höchst pointiert ab. Aber in den Anläufen bleibt er transparen­t, variiert immer wieder die Phrasierun­g und sorgt für überrasche­nde dynamische Abstufunge­n. Chauhan setzt auf höchste Differenzi­erung der Klangfarbe­n, manchmal klingt es fahl wie bei Mahler, oder die bohrenden Motiv-Wiederholu­ngen wirken wie ein Vorgeschma­ck minimalist­ischer Patterns.

Am Ende großer Jubel. Von Alpesh Chauhan wird man noch hören.

 ?? FOTO: SUSANNE DIESNER ?? Dirigent Alpesh Chauhan bei seinem Auftritt am Wochenende in der Tonhalle.
FOTO: SUSANNE DIESNER Dirigent Alpesh Chauhan bei seinem Auftritt am Wochenende in der Tonhalle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany