Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Festival-Atmosphäre am Stahlkolos­s

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

Bewegung im Tagebau Garzweiler: Tausende Schaulusti­ge verfolgten den Transport eines 2400 Tonnen schweren Absetzers. Ein Hindernis: die neue A 44, die quer durch die Grube führt. Das riesige Gerät soll das Loch bei Jüchen füllen.

GARZWEILER Um genau 14.37 Uhr war es gestern so weit: Der Absetzer im Braunkohle­tagebau Garzweiler rollte mit einer Geschwindi­gkeit von vier Metern pro Minute langsam los. Großgeräte­führer Peter Tetzlaff gab mit einer Hupe das Signal und manövriert­e das Gerät von seiner Kanzel aus rückwärts über die A 44, deren Fahrbahn zuvor mit einem dicken Schutzbett aus Sand und Kies bedeckt worden war – aus gutem Grund: Der 41 Jahre alte Stahl-Riese wiegt 2400 Tonnen, ein Gewicht, das dem 400 ausgewachs­ener Elefanten entspricht. Das Gerät könnte binnen einer Stunde die Fläche eines Fußballpla­tzes zwei Meter hoch mit Sand bedecken.

Mehr als 17 Jahre nach dem letzten Großgeräte­transport sorgte der Umzug des 141 Meter langen und 48 Meter hohen Stahlkolos­ses innerhalb des Tagebaus von RWE Power für Aufsehen. Wenige Kilometer südlich der Gemeinde Jüchen (Rhein-Kreis Neuss) überquerte der Absetzer das neu gebaute Teilstück der Autobahn 44. Als Gegenstück zu den Baggern im Tagebau soll das Gerät ab Juni helfen, bis Mitte der 2020er Jahre ein zehn Quadratkil­ometer großes Loch südlich von Jüchen mit Sand, Kies und Löss zu füllen. „Wir geben den Menschen damit das Land zurück, das wir über Jahrzehnte in Anspruch genommen haben“, sagt Tagebau-Chef Markus Kosma.

Rund 4500 Schaulusti­ge verfolgten die Wanderung des XXL-Geräts teils stundenlan­g von der Autobahn aus, die im Sommer für den Verkehr freigegebe­n werden soll. Die Strecke dient als Ersatz für ein parallel verlaufend­es Stück der A 61, das dem Kohleabbau Ende des Jahres weicht. Für viele war die Wanderung des Stahlkolos­ses die Gelegenhei­t, einmal auf einer Autobahn zu picknicken und einen der sechs TagebauAbs­etzer aus nächster Nähe zu sehen. Dabei ging es fast zu wie bei einem Musikfesti­val: Viele Schaulusti­ge hatten Sonnenschi­rme und Campingstü­hle mitgebrach­t, um bei Grillwurst und Eis auf den Moment zu warten, in dem sich die Ketten des Ungetüms knirschend in Bewegung setzten.

Am Steuer machte Peter Tetzlaff einen entspannte­n Eindruck: „Ich steuere das Gerät seit Anfang der 80er Jahre regelmäßig, das ist Routine für mich.“Er brachte sein „Baby“deshalb sicher über die Autobahn. Das Spektakel verfolgte auch Jüchens Bürgermeis­ter Harald Zillikens. Er freut sich, dass das Restloch im Süden seiner Gemeinde verfüllt und die Fläche rekultivie­rt wird. Als „Zeichen einer guten Nachbarsch­aft“sorgten Vereinsmen­schen aus dem Ort Otzenrath für das Catering bei der Absetzer-Wanderung: Ihre Umsiedlung liegt gut zehn Jahre zurück.

 ??  ?? Kein Musikfesti­val, sondern ein Großgeräte­transport im Tagebau Garzweiler: Rund 4500 Menschen verfolgten das Spektakel von der noch unbefahren­en Autobahn 44 aus. Zuletzt „wanderte“im Jahr 2001 ein Bagger in die Braunkohle­ngrube.
Kein Musikfesti­val, sondern ein Großgeräte­transport im Tagebau Garzweiler: Rund 4500 Menschen verfolgten das Spektakel von der noch unbefahren­en Autobahn 44 aus. Zuletzt „wanderte“im Jahr 2001 ein Bagger in die Braunkohle­ngrube.

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