Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Festival-Atmosphäre am Stahlkoloss
Bewegung im Tagebau Garzweiler: Tausende Schaulustige verfolgten den Transport eines 2400 Tonnen schweren Absetzers. Ein Hindernis: die neue A 44, die quer durch die Grube führt. Das riesige Gerät soll das Loch bei Jüchen füllen.
GARZWEILER Um genau 14.37 Uhr war es gestern so weit: Der Absetzer im Braunkohletagebau Garzweiler rollte mit einer Geschwindigkeit von vier Metern pro Minute langsam los. Großgeräteführer Peter Tetzlaff gab mit einer Hupe das Signal und manövrierte das Gerät von seiner Kanzel aus rückwärts über die A 44, deren Fahrbahn zuvor mit einem dicken Schutzbett aus Sand und Kies bedeckt worden war – aus gutem Grund: Der 41 Jahre alte Stahl-Riese wiegt 2400 Tonnen, ein Gewicht, das dem 400 ausgewachsener Elefanten entspricht. Das Gerät könnte binnen einer Stunde die Fläche eines Fußballplatzes zwei Meter hoch mit Sand bedecken.
Mehr als 17 Jahre nach dem letzten Großgerätetransport sorgte der Umzug des 141 Meter langen und 48 Meter hohen Stahlkolosses innerhalb des Tagebaus von RWE Power für Aufsehen. Wenige Kilometer südlich der Gemeinde Jüchen (Rhein-Kreis Neuss) überquerte der Absetzer das neu gebaute Teilstück der Autobahn 44. Als Gegenstück zu den Baggern im Tagebau soll das Gerät ab Juni helfen, bis Mitte der 2020er Jahre ein zehn Quadratkilometer großes Loch südlich von Jüchen mit Sand, Kies und Löss zu füllen. „Wir geben den Menschen damit das Land zurück, das wir über Jahrzehnte in Anspruch genommen haben“, sagt Tagebau-Chef Markus Kosma.
Rund 4500 Schaulustige verfolgten die Wanderung des XXL-Geräts teils stundenlang von der Autobahn aus, die im Sommer für den Verkehr freigegeben werden soll. Die Strecke dient als Ersatz für ein parallel verlaufendes Stück der A 61, das dem Kohleabbau Ende des Jahres weicht. Für viele war die Wanderung des Stahlkolosses die Gelegenheit, einmal auf einer Autobahn zu picknicken und einen der sechs TagebauAbsetzer aus nächster Nähe zu sehen. Dabei ging es fast zu wie bei einem Musikfestival: Viele Schaulustige hatten Sonnenschirme und Campingstühle mitgebracht, um bei Grillwurst und Eis auf den Moment zu warten, in dem sich die Ketten des Ungetüms knirschend in Bewegung setzten.
Am Steuer machte Peter Tetzlaff einen entspannten Eindruck: „Ich steuere das Gerät seit Anfang der 80er Jahre regelmäßig, das ist Routine für mich.“Er brachte sein „Baby“deshalb sicher über die Autobahn. Das Spektakel verfolgte auch Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens. Er freut sich, dass das Restloch im Süden seiner Gemeinde verfüllt und die Fläche rekultiviert wird. Als „Zeichen einer guten Nachbarschaft“sorgten Vereinsmenschen aus dem Ort Otzenrath für das Catering bei der Absetzer-Wanderung: Ihre Umsiedlung liegt gut zehn Jahre zurück.