Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der grenzenlos Umtriebige

- VON THERESA MÜNCH UND MICHAEL KIEFFER

Mit nur 28 Jahren ist der schwedisch­e DJ und Produzent Avicii gestorben. Vor zwei Jahren zog er sich schon aus gesundheit­lichen Gründen von der Live-Bühne zurück. Ihm zu Ehren spielten nun sogar Kirchenglo­cken seine Hits.

STOCKHOLM (dpa) Mit Bestürzung haben Kollegen und Fans des schwedisch­en DJs und Produzente­n Avicii („Wake Me Up“) auf den Tod des 28-Jährigen reagiert. „Mir fehlen die Worte“, schrieb der deutsche DJ Felix Jaehn (23) bei Twitter. Der Franzose David Guetta (50) twitterte, die Welt habe einen unglaublic­h talentiert­en Musiker verloren. Auch Madonna bekundete ihre Trauer – wie auch Hunderttau­sende Fans in den Sozialen Netzwerken.

Tim Bergling, wie Avicii mit bürgerlich­em Namen hieß, war am Freitag in Maskat, der Hauptstadt des Oman, tot aufgefunde­n worden, wie seine Sprecherin mitteilte. „Die Familie ist am Boden zerstört, und wir bitten alle, ihr Bedürfnis nach Privatsphä­re in dieser schwierige­n Zeit zu respektier­en.“Die Polizei in dem arabischen Staat geht nicht von einer Straftat aus. „Wir haben alle Informatio­nen, wir wissen, was geschah, aber wir werden es nicht an die Öffentlich­keit geben“, so die Polizei und ergänzt, dass nicht nach Verdächtig­en gesucht werde.

Schwedens Prinz Carl Philip und Prinzessin Sofia erklärten: „Er machte unsere Hochzeit mit seiner fantastisc­hen Musik unvergessl­ich.“Avicii hatte auf der Hochzeit 2015 gespielt. Ministerpr­äsident Stefan Löfven postete auf Instagram: „Er war einer von Schwedens größten Musikern der heutigen Zeit.“

Das Grenzenlos-Umtriebige machte ihn aber auch krank. Auf seinen Touren um die Welt, mit Auftritten von Miami bis Shanghai, trank er zu viel. Elf Tage verbrachte er 2012 im Krankenhau­s, seine Bauchspeic­heldrüse hatte sich entzündet. Ein Jahr späten rieten ihm Ärzte, seine Gallenblas­e müsse ent- fernt werden. Avicii aber produziert­e weiter, arbeitete an seinem ersten Album, „True“, einem Top-10-Erfolg in mehr als einem Dutzend Ländern. Im März 2014 entnahmen Ärzte dann dem damals 24-Jährigen den Blinddarm und die Gallenblas­e.

„In diesem Geschäft ist es schwer, Nein zu sagen“, erklärte er seine Rastlosigk­eit später dem „Billboard“-Magazin. „Man will alles spielen und überall sein.“2016 verkündete er, von nun an nicht mehr live aufzutrete­n. Er wolle dort wieder Musik machen, „wo das alles am meisten Sinn ergibt“: im Studio. Wie Brian Wilson, der angstgetri­ebene, genialisch­e Liedschrei­ber der Beach Boys, der die Bühne schon mit Anfang 20 nicht mehr ertrug.

Avicii hörte 2016 auf, ein DJ zu sein, und wurde noch mehr der Musikmache­r, als der er sich immer sah. Im August 2017 erschien ein neues Album mit sechs Stücken. „Avicii ist zurück“, hieß es in einer Kritik, „erfrischt, neu aufgeladen.“

In der Stockholme­r Innenstadt versammelt­en sich am Samstag Hunderte Fans, um an ihn zu erinnern. Nach einer Schweigemi­nute tanzten sie zu seiner Musik. Discos und Nachtclubs hatten um Mitternach­t eine Schweigemi­nute eingelegt. Kirchen in den Niederland­en ehrten den DJ mit Glockenspi­el-Interpreta­tionen: Vom Dom in Utrecht erklang unter anderem „Wake Me Up“und „Without You“. Von der Liebfrauen-Kirche in Amersfoort war „Hey Brother“zu hören.

„Ich habe großes Interesse für verschiede­ne Dinge, aber zu wenig Zeit, dem nachzugehe­n“, hatte Avicii zu seinem Rücktritt erklärt. Erst vor wenigen Tagen schrieb er bei Facebook, er fühle sich geehrt, für die Billboard Music Awards 2018 nominiert zu sein. Auf keinen Fall solle man die Show im Mai verpassen.

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FOTO: IMAGO Tim Bergling alias Avicii fing mit 16 an zu mixen, mit 18 tourte er als DJ durch die Clubs. Nach vier Jahren erhielt der Schwede die erste Grammy-Nominierun­g – ein Leben im Schnelldur­chlauf.

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