Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wenn der Vater mit dem Sohne

- VON ARMIN KAUMANNS

Daniel Barenboim ist der „Pate“des Klavier-Festival Ruhr. Im Schumann-Saal spielte er mit Sohn Michael und dem Cellisten Kian Soltani.

Wenn Daniel Barenboim sich ans Klavier setzt, darf der geneigte Zuhörer Großes erwarten. Die Aura des künstleris­ch Außergewöh­nlichen und moralisch Vorbildhaf­ten umflort den heute 75-Jährigen, der eine ganze Generation von Musikern von den Tasten und vom Dirigenten­pult aus prägte. Im seit Wochen ausverkauf­ten SchumannSa­al versucht sich diese Ikone auch des Klavier-Festivals Ruhr mit einer Rolle im Hintergrun­d. Zwischen seinem Sohn Michael, der inzwischen eine passable Karriere als Geiger hingelegt hat, und dem Cellisten Kian Soltani, der schlappe 50 Jahre jünger ist als der Maestro, findet er sich zum Trio-Spielen ein. Beethoven. Die Nummern 2, 4, 7 („Erzherzog“). Schöne, schwere Kost. Und eine Enttäuschu­ng.

Was sind das für göttlich leuchtende Töne! In der langsamen Einleitung des G-Dur-Trios zaubert Barenboim aus dem vom Klang-Magier Angelo Fabbrini auf old-fashioned getrimmten Bauch des Steinway D Pianissimo-Klänge, dass selbst den Streichern im Publikum das Herz aufgeht ob der Schönheit, die entstehen kann, wenn begnadete Hände diese Tasten-Hebel-Hämmerchen-Mechanik in Gang setzen. Für dieses Erlebnis mag man getrost bis zu 125 Euro für eine Karte ausgeben, denn es ist nur hier und jetzt zu haben. Und kommt nicht wieder. Allerdings währt so ein BeethovenA­bend gute zwei Stunden, und da muss, damit der große Anspruch eingelöst werde, mehr geschehen als ein paar zauberhaft­e Momente.

Doch leider tut sich das neue Trio um Daniel Barenboim schwer damit, ein Trio zu sein. Und das hat nichts damit zu tun, dass die drei Musiker etwa keinen gemeinsame­n Zugang zur Musik Beethovens finden könnten. Unter der Obhut des Erfahrenen sind gerade die beiden frühen Trios, die Beethoven als Teil seines Opus 1 veröffentl­ichte und die noch sehr vom Klaviersat­z geprägt sind, in musikalisc­her Hin- sicht nicht wirklich ein Problem. Aber wie das auch hier so ist: Der Ton macht die Musik. Und da sind sich die drei nicht wirklich einig. Vom Klavier aus gibt Barenboim eine klassische Vorlage, setzt auf gediegene Tempi, durchsicht­ige Klänge, kleine, feine Außergewöh­nlichkeite­n im ruhigen Fluss. Kian Soltani am Cello dagegen ist ein äußerst begabter, in die kantablen Fähigkeite­n seines Instrument­s verliebter junger Mann, der nicht nur einer Kantilene großen Schwung verleihen kann, sondern auch einer beiläufige­n Bassfigur Intensität, Bedeutung und Individual­ität beimisst. Der Mann mit persischen Wurzeln ist wie Barenboims Sohn aus zweiter Ehe, Michael, Konzertmei­ster in Barenboims West-Eastern Divan Orchestra, mit dem der argentinis­che Israeli auch politische Versöhnung­sgeschicht­e schreibt. Michael jedoch nimmt beider Vorlagen nicht auf. Sein Geigenspie­l wirkt – bei allem technische­n Können – eng, verhalten, uninspirie­rt. Seinem Ton fehlt Wärme, musikalisc­he Impulse gehen von ihm nicht aus.

Die drei Musiker haben ein paar schöne Ideen verabredet, hier und da ein Innehalten, Zögern, ein andermal ein plötzliche­s Losstürmen. Beethoven mag das. Nicht aber In- tonationsm­ängel wie die der Geige im fiesen Mittelteil des Scherzos des G-Dur-Trios. Oder zu viel Pedalnebel bei diffizilen Klavier-Passagen.

Gelegentli­che Wackler belegen den Eindruck, dass die drei Musiker, so gut (und erfahren) sie auch sein mögen, noch viel miteinande­r reden und musizieren müssen, bevor sie zu einem geschlosse­nen Ensemble finden. Darüber täuschen auch gelungene Passagen nicht hinweg: die teils wunderschö­nen Variatione­n im „Erzherzog“-Trio oder der stimmungsv­olle Pianissimo­Schluss dieses überaus originelle­n Werks.

Der Applaus des Publikums gilt wohl besonders dem Star des Abends und dem Gefühl, dabeigewes­en zu sein. Das große Feuerwerk, das viele für den Saal erhofft hatten, fand an diesem Abend nur überm Rhein statt.

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