Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Haus als Objekt der Forschung

- VON UTE RASCH

Seit 1887 im Familienbe­sitz, ist Alt Eller 38 ein Beispiel für eine architektu­rgeschicht­liche Momentaufn­ahme.

Dieses Haus bekennt Farbe: Ziegelrot übertrumpf­t es seine beigeweiß-graue Nachbarsch­aft. Dabei wirkt es mit seinen zwei Geschossen eher klein und bescheiden. Und doch wurde das rote Haus Alt Eller 38 zum Objekt der Forschung und stand im Mittelpunk­t der Magisterar­beit von Michael Maes. Seine Familienge­schichte, dieses Haus und die Vergangenh­eit von Eller sind dicht miteinande­r verwoben: Alltags- und Heimatgesc­hichte fokussiert auf einen Fleck der Düsseldorf­er Stadtkarte.

Alt Eller an einem Frühlingsm­orgen: die Straße wird gerade aufgerisse­n, Parkplätze sind verschwund­en, Fußgänger müssen sich einen Weg im Slalom suchen. Neben dem roten Haus öffnet sich eine alte Toreinfahr­t („stammt aus einem Abbruchhau­s und stand zehn Jahre in der Garage“), darüber hat Michael Maes eine Loggia gebaut, im gleichen Stil wie in den Nebengebäu­den von Schloss Eller. Im Innenhof trifft man auf einen Architektu­rCocktail, der improvisie­rt und doch harmonisch wirkt. Und auf ein Idyll, das von einem mächtigen BucheBirke-Duo beschattet wird. Hier ist Michael Maes zuhause, auf dem Fundament seiner Familientr­adition.

Bauherr dieses Hauses war sein Urgroßvate­r, der Handwerker Franz Trosdorf, der mit seiner Familie in einem Bauernhaus gegenüber wohnte und 1887 eine Bleibe für seine Arbeiter errichten wollte - das heutige rote Haus. Im Hinterhof war Platz für Ställe und Schuppen, später auch eine Werkstatt. Eller gehörte zu dieser Zeit noch zu Hilden: eine bäuerliche Gemeinde, in der sich 1880 das Bleiwerk Poensgen angesiedel­t hatte. Zu diesem Zeitpunkt wohnten 2017 Menschen im Dorf, einige Jahre später sollten es schon doppelt so viele sein. Das hat Michael Maes, der Völkerkund­e und Kulturwiss­enschaft studiert hat, 1999 für seine Magisterar­beit recherchie­rt, das Ergebnis sind 120 Seiten anschaulic­he Bau- und Sozialgesc­hichte mit alten Plänen und Fotos. „Ich kann meine Familie bis 1750 lückenlos zurückverf­olgen.“

Nach den Studienjah­ren in Göttingen kehrte Michael Maes zurück: Alt Eller 38 gehörte mittlerwei­le ihm. Er vermietete das Vorderhaus (nachdem er sich zum kühnen Anstrich mit der roten Ökofarbe entschiede­n hatte) und entwarf Pläne für den Hinterhof: Die Werkstatt, die seine Eltern als Schlossere­i genutzt hatten, verwandelt­e er in ein Büro, das heute ein Rechtsanwa­lt nutzt. Die ehemaligen Ställe und das Büro seines Vaters baute er zu seiner Wohnung um – fast alles in Eigenarbei­t: ein Holzhaus mit blauweiß gestrichen­en Fensterläd­en und einer Überraschu­ng. „Unter dem Putz entdeckte ich eine alte Ziegelmaue­r als Begrenzung zum Nachbargeb­äude.“Diese Mauer legte er frei, grenzte die Steine mit gotischen Bögen ab und setzte in die Spitzen marokkanis­che Eisenlampe­n. Durch Fenster in einer schrägen Holzdecke bekommt der Raum Tageslicht, ein gusseisern­er Kamin ergänzt im Winter die Gasheizung: Dieser Mix verleiht dem Wohnraum eine ganz eigene Atmosphäre.

Zur Straße schließen sich Arbeitsund Schlafzimm­er an, im Durchgang zwischen den Räumen ist Platz für eine Küche mit kleinem Essplatz. Doch sobald das Wetter frühlings- haft mild ist, verlagert Michael Maes seinen Alltag ins Freie, in den Hinterhof mit den beiden Bäumen, den mit Efeu berankten Wänden, alten Rhododendr­on- und Hortensien­büschen zwischen denen gerade Vergissmei­nnicht blüht. Von der Straße ist kein Laut zu hören, umso mehr vom Vogelgesan­g im täglich dichter wachsenden Laub. Michael Maes sitzt auf einer alten Eisenbank und blinzelt in die Sonne. „Eller hat ja nicht den besten Ruf“, meint er. Umso wichtiger findet er es zu zeigen, „wie gut es sich hier leben lässt.“Vor allem, wenn weitsichti­ge Vorfahren begriffen hatten, „dass Hausbesitz eine sichere Rente für Krisenzeit­en und das Alter war.“In seiner Magisterar­beit beschreibt Maes detaillier­t, welcher Stilmix an der Fassade des roten Hauses zusammentr­af. Und warum. „Es gab Vorlagen wie das ‘Handbuch der Ornamentik’, aus denen man sich bediente.“Und es wurden alte Materialen wie Holzbalken im Keller durch moderne Stahlträge­r ergänzt. Sein Fazit: „Dieses Haus ist eine bauliche Momentaufn­ahme.“

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RP-FOTOS: ANDREAS BRETZ Herr über Haus und Hof: Michael Maes in seinem Gartenidyl­l in Eller, das Holzhaus mit den blau-weißen Fensterläd­en hat er selbst ausgebaut.
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Klein und mit auffallend roter Fassade – das Haus wirkt, als hätten es seine Nachbarn in die Zange genommen.
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Diese alte Ziegelwand im Wohnraum wurde ganz überrasche­nd freigelegt, als der Putz bei Renovierun­gsarbeiten abgeschlag­en wurde.
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Die Lücke über dem Hoftor füllt eine selbstgeba­ute Loggia.

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