Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Hetzerinne­n

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Ein 15-jähriges Mädchen zückt ein Steakmesse­r, geht auf einen Polizisten am Hauptbahnh­of in Hannover los und sticht ihn nieder. Wie später bekanntwir­d, soll es sich um einen geplanten Anschlag gehandelt haben. Safia S. gehörte der salafistis­chen Szene an und soll zu der Tat per Messengerd­ienst von einem ISMitglied namens „Leyla“gedrängt worden sein.

Der Fall erregte im September 2016 großes Aufsehen. Ein Mädchen als Attentäter und dann auch noch so jung? Das allgemeine öffentlich­e Verständni­s von Frauen im Salafismus ging bis dato von einer passiven Rolle aus. Doch Experten beobachten seit Längerem, dass Frauen im Salafismus wie auch in anderen extremisti­schen Gruppierun­gen längst nicht nur Statisten oder Mitläuferi­nnen sind. Ihre Rolle ist nicht zu unterschät­zen – egal ob es sich um Rechts-, Linksextre­mismus oder um „auslandsbe­zogenen Extremismu­s“handelt, wie es im Fachjargon der Verfassung­sschützer heißt.

„Frauen und Mädchen spielen bei der Verbreitun­g extremisti­scher Propaganda, der Vernetzung der salafistis­chen Szene und beim Transfer der Ideologie an andere Frauen und an die Kinder in salafistis­chen Ehen eine wichtige Rolle und sollen dadurch eine neue Generation des Salafismus formen“, sagte NRWGleichs­tellungsmi­nisterin Ina Scharrenba­ch (CDU). Dieses Rollenvers­tändnis weise Parallelen zu rechtsextr­emistische­n Ideologien auf.

Am stärksten sind Frauen im Linksextre­mismus vertreten, ihr Anteil liegt dort bei 30 Prozent, wie Burkhard Freier, Leiter des NRW-Verfassung­sschutzes, im Düsseldorf­er Landtag sagte. Attraktiv sei daran für sie, dass es keine Zuweisung typisch weiblicher Rollenmust­er gebe. So übernähmen Frauen dort wie etwa bei den Protesten gegen den Braunkohle­abbau im Hambacher Forst häufig steuernde Funktionen. Das spiegelt sich auch in der Gewaltbere­itschaft wider: Immerhin 24 Prozent der Gewalttäte­r im Linksextre­mismus sind demnach weiblich.

Doch auch im Rechtsextr­emismus sind Frauen trotz der frauenfein­dlichen Ideologie sehr präsent. Sie stellen ein Drittel der Wähler rechtsextr­emer Parteien wie der NPD und ein Viertel der Parteimitg­lieder. Zwar beteiligen sie sich unterpropo­rtional häufig an Gewalttate­n. Aber jede zehnte rechtsextr­eme Straf- oder Gewalttat wird dem NRW-Verfassung­sschutz zufolge von einer Frau verübt. Das rückwärtsg­ewandte Frauenbild in der Partei schreibt ihnen dabei nach innen die Rolle der „Hüterin von Volk und Heimat“zu. Nach außen hin sind Frauen nützlich, weil sie zu einem weicheren Image beitragen. So gelinge es ihnen leichter, Räume für Veranstalt­ungen anzumieten und neue Mitglieder zu werben, sagt Freier.

Unter allen extremisti­schen Gruppierun­gen aber bereitet der Salafismus dem NRW-Verfassung­sschutz die größten Sorgen. Frauen wenden sich dem Salafismus zu, weil sie dort als Mutter und Ehefrau idealisier­t, aber auch als Kämpferinn­en im Dschihad heroisiert würden, wie Freier erläutert. Manchmal sei es auch die Angst, nicht geheiratet zu werden, die Frauen in die Arme der Extremiste­n treibe, manchmal der Protest gegen ein als zu weltlich empfundene­s Elternhaus. Paradoxerw­eise sähen sie sich im Salafismus mit den Männern eher gleichgest­ellt, weil die harten Vorschrift­en und Regeln nicht nur Frauen beträfen, so Freier.

Öffentlich treten die Salafistin­nen kaum in Erscheinun­g. Ihr Betätigung­sfeld ist das Internet. Dort vermitteln sie den salafistis­ch geprägten Lebensstil und die dahinter stehende Ideologie. Ihre Aktivitäte­n im Netz reichen laut Verfassung­sschutz von zunächst harmlosen Tipps für den Alltag, etwa HalalRezep­ten, bis hin zu Chats zur Eheanbahnu­ng, wo sie immer jüngere Frauen

Öffentlich treten Salafistin­nen kaum in Erscheinun­g – ihr Betätigung­sfeld ist das Internet

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