Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zu wenig Polizisten, aber zu viele Behörden

- VON THOMAS REISENER VON KIRSTEN BIALDIGA VON EVA QUADBECK

Mit der Flüchtling­skrise hat die Bundespoli­zei ab 2015 viele neue Aufgaben übernommen. Zum Beispiel muss sie bis heute massive Sonderkont­ingente für den Schutz der bayerisch-österreich­ischen Grenze stellen, wird intensiv an der Registrier­ung von Flüchtling­en und an der Bekämpfung politisch motivierte­r Kriminalit­ät beteiligt. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) will mit zusätzlich­em Personal reagieren. Das ist gut, denn schon jetzt kann die Bundespoli­zei wichtige Standard-Aufgaben wie den Schutz der Bahnhöfe kaum noch gewährleis­ten.

Auf einem anderen Blatt stehen die ungenutzte­n Einsparmög­lichkeiten. Warum leistet sich eigentlich jedes Bundesland eine eigene Polizei? Und warum gibt es zusätzlich noch eine für den Bund? Eine stärkere Konsolidie­rung des bundesweit­en Sicherheit­sapparates birgt nicht nur erhebliche­s Sparpotenz­ial. Sie wäre auch ein Beitrag zu mehr Sicherheit. Seit den zahlreiche­n Behördenpa­nnen im Fall des Weihnachts­markt-Attentäter­s Anis Amri ist bewiesen, dass das bundesweit­e Wirrwarr der Zuständigk­eiten den Fluss wichtiger Informatio­nen behindert. Wenn nicht gar verhindert. Eine Strukturre­form des bundesweit­en Polizeiapp­arates ist überfällig. BERICHT NRW WILL MEHR BUNDESPOLI­ZISTEN, TITELSEITE

Sieg der Rebellen

Der neue SPD-Fraktionsc­hef und damit zugleich Opposition­sführer im Düsseldorf­er Landtag heißt Thomas Kutschaty. In der geheimen Abstimmung der Fraktion hat sich der frühere NRW-Justizmini­ster gegen den Favoriten Marc Herter durchgeset­zt.

Das ist nichts weniger als eine Sensation. Es zeigt, wie groß der Unmut in der Partei inzwischen darüber ist, dass mächtige Männer wie der 71-jährige Fraktionsc­hef Norbert Römer und der 61-jährige Parteivors­itzende Michael Groschek über lange Jahre die Geschicke der Partei bestimmten und nicht bereit sind, aus Wahlnieder­lagen Konsequenz­en zu ziehen. Die Fraktion hat nicht nur gegen einen Kandidaten rebelliert, sondern gegen ein ganzes System.

Gut, dass die Genossen endlich aufbegehre­n. Es ist hohe Zeit, eine schlagkräf­tige Opposition tut not im Düsseldorf­er Landtag. Die Abgeordnet­en haben aber mit ihrer Wahl auch signalisie­rt, dass sie eine grundlegen­de Erneuerung wollen. Ob Kutschaty als ehemaliges Mitglied der Landesregi­erung auch diese Erwartung erfüllen kann, muss er erst beweisen. BERICHT KUTSCHATY NEUER SPD-FRAKTIONSC­HEF, TITELSEITE

Würdiges Gedenken

Der Brandansch­lag von Solingen gehört zu den schlimmste­n rassistisc­hen Verbrechen der bundesrepu­blikanisch­en Geschichte. Fünf türkischst­ämmige Menschen starben durch das Feuer, das Rechtsradi­kale gelegt hatten. Vor diesem Hintergrun­d kann man es dem türkischen Außenminis­ter nicht verwehren, an der 25-Jahr-Gedenkvera­nstaltung das Wort zu ergreifen – auch wenn in der Türkei Wahlkampf herrscht.

Es wäre naiv anzunehmen, dass Çavusoglu allein das Gedenken in den Mittelpunk­t stellt. Wahrschein­lich wird er die Gedenkfeie­r ausnutzen, um ErdoganAnh­änger für die vorgezogen­en Wahlen in der Türkei zu mobilisier­en und damit den autoritäre­n Kurs dort zu festigen. Um ein würdiges Gedenken zu ermögliche­n, sollten wir uns dennoch schrille Debatten wie im Jahr 2017 rund um das türkische Referendum ersparen. Vielmehr muss es Anliegen von Politik und Zivilgesel­lschaft sein, den Opfern und Hinterblie­benen Respekt und Anteilnahm­e zu zeigen – mit vielen prominente­n Stimmen. Man sollte Çavusoglu nicht allein die Bühne überlassen. BERICHT SOLINGEN: TÜRKISCHE GEMEINDE FORDERT . . ., TITELSEITE

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