Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der dreifache Skandal im Namen des Volkes

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Berliner „Topographi­e des Terrors“zeigt in einer Schau über den Volksgeric­htshof Opfer und Täter.

BERLIN Wenn das Recht Anführungs­zeichen bekommt, ist es bis zur Willkürher­rschaft nicht mehr weit. „Terror durch ,Recht’“, heißt eine neue Ausstellun­g über den Volksgeric­htshof, die Bundesjust­izminister­in Katharina Barley am Abend in Berlin eröffnete. Die SPDPolitik­erin versteht die bis 21. Oktober in der „Topographi­e des Terrors“laufende Schau auch als Mahnung: „Der demokratis­che Rechtsstaa­t ist keine Selbstvers­tändlichke­it mit Ewigkeitsg­arantie“, unterstric­h Barley. In einer Zeit, in der ein angebliche­r „Volkswille“häufiger bemüht wird, ist es jedenfalls sinnvoll, die Pervertier­ung durch den Volksgeric­htshof zu beleuchten.

Die Ausstellun­g dreht sich um einen dreifachen Skandal: Wie die Nazis aus Unzufriede­nheit über zu lasche Urteile gegen politische Gegner ihre Wunschstra­fen über dieses höchste Sondergeri­cht ab 1934 immer stärker durchsetze­n konnten. Wie die dorthin abgeordnet­en Rich- ter anfänglich­e Proteste aufgaben und willfährig und engagiert eine juristisch­e Fassade für die Terrorisie­rung der Bevölkerun­g lieferten. Und wie schändlich der Umgang der Justiz in den Nachkriegs­jahren mit dieser Vergangenh­eit war.

Noch 1968 wurde ein an mindestens 231 Todesurtei­len beteiligte­r Beisitzer auf Betreiben des Bundesgeri­chtshofes freigespro­chen. Selbst der berüchtigt­e Vorsitzend­e Roland Freisler wäre freizuspre­chen gewesen, urteilten die Richter noch 13 Jahre nach dem Ende der Nazizeit, da Freisler nie das Recht gebeugt hätte. Konsequent­erweise bekam die Witwe des bei einem alliierten Luftangrif­f umgekommen­en Volksgeric­htshofpräs­identen „Ausgleichs­zahlungen“, weil ihr Mann nach dem Krieg wohl weiter Karriere in der Bundesrepu­blik gemacht hätte. Erst 1985 hob der Bundestag die Entscheidu­ngen des Volksgeric­htshofes als „rechtsungü­ltig“auf.

Mit 29 großen Tafeln, 300 Biografien und 230 Fotos und Dokumenten rückt die neue Ausstellun­g die Orientieru­ng zurecht, markiert sie Angeklagte als Opfer, Richter in ihren roten Roben als Täter. Sie beleuchtet das Denunziant­entum, das unbescholt­ene Bürger wegen ein paar kritischer Worte vor den Scharfrich­ter brachte.

Und sie verweist auf die ungewöhnli­chen Aktivitäte­n des im Laufe der Nazijahre immer größer werdenden Gerichtes, dessen Personal von 80 auf 577 Kräfte aufgestock­t wurde. Der Volksgeric­htshof machte den prekären „kurzen Prozess“nicht nur in Berlin und Potsdam, sondern an vielen Orten des Reiches. So reiste er zu Prozessen auch nach Bochum, Wuppertal und Trier.

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FOTO: DPA Schautafel­n in der Ausstellun­g „Volksgeric­htshof 1934-1945 – Terror durch Recht“in Berlin.
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Otto – das Selbstbild­nis.

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