Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ins Capitol zur Rocky Horror Show

- VON BIRGIT WANNINGER

Das schräge Rock-Musical mit Transvesti­ten und Außerirdis­chen gastiert ab sofort bis zum 5. Mai im Capitol Theater.

Wenn ein Auto heute mitten in der Nacht bei strömendem Regen eine Panne hat, holt der Fahrer sein Handy hervor, ruft den Pannendien­st an und bittet um Hilfe.

Vor mehr als 40 Jahren war das anders. In den 1970er Jahren gab es noch keine Handys. So musste das Spießer-Pärchen Brad Major und Janet Weiss durch strömenden Regen zum nächsten Haus laufen, in dem ein Licht brannte – in einem Schloss. Als der bucklige Diener Riff Raff die Tür öffnet, fragt Brad, ob er das Telefon benutzen dürfe. Der Rest ist Geschichte.

Das Musical Rocky Horror Show feierte vor 45 Jahren in London Premiere. Damals ein Skandal – zu sexy, zu anarchisch. Denn im Schloss feiern Außerirdis­che und deren Sympathisa­nten eine bizarre Party. Die Akteure tragen Strapse, Stöckelsch­uhe und Korsagen. Allen vo- ran der Transvesti­t Frank’n’Furter. Der britische Schauspiel­er Tim Curry gelangte mit dieser Rolle zu Berühmthei­t, erst auf der Bühne, dann im Film. Für Nachfolger war es schwer, in seine Fußstapfen zu treten. Das aber gelang Rob Fowler vor knapp zehn Jahren. Damals feierte Richard O’Brien’s Original Rocky Horror Show Premiere im Berliner Admirals-Palast. Mehrfach ging seitdem die verrückte, dekadente Show auf Deutschlan­dtournee.

Das aktuelle Team ist seit Oktober unterwegs. Die Rolle des „Sweet Transvesti­te“hat erstmals Gary Tushaw übernommen. Noch ein wenig unsicher bei der Premiere im Kölner Musical Dome, hat der West-EndDarstel­ler jetzt seinen eigenen Stil gefunden: rockig, sexy und mit großer Stimme. Keine Imitation von Curry und Fowler – und das ist auch gut so.

Stuart Matthew Price verkörpert seit 2008 den Riff Raff mit grandioser Stimme zu linkischen Bewegungen, als käme er von einem anderen Planeten – außerirdis­ch. Price ist die absolute Bestbesetz­ung, nach Richard O’Brien, dem diabolisch­en Erfinder des Musicals, der im Film den schmierige­n Außerirdis­chen spielt. Zurück zum Inhalt: Das Spießer-Pärchen Brad und Janet befindet sich plötzlich mitten unter der illustren Party-Gesellscha­ft. Irgendwann machen Brad und Janet bei allem mit. Wie das Publikum, das es spätesten beim „Time Warp“nicht mehr auf den Stühlen hält. Denn das Musical um Sex, Drugs, Rock’n’Roll ist Kult, nicht zuletzt wegen seiner zahlreiche­n Anspielung­en auf andere, zum Teil zweitklass­ige Science-Fiction- Filme. Die eingefleis­chten Fans kommen in Kostümen zur Show und kennen den Text auswendig, singen jeden Song lauthals mit. Auch ist es bei O’Brien’s Musical eine Tradition, Konfetti zu werfen (früher auch Reis), mit der Wasserpist­ole um sich zu schießen und Klopapier-Rollen durch den Saal zu schleudern. Von all dem unberührt bleibt der „Narrator“, der Er- zähler. Der eigentlich überflüssi­g ist, weil das Publikum die Story kennt. Doch der Erzähler ist wichtig. Er ist übrigens der Einzige, der deutsch spricht. Und für ihn wird es jeden Abend eine neue Rolle. Denn er ist es, der auf die Kommentare der Zuschauer reagiert.

Bis Anfang nächster Woche steht Sky du Mont auf der Bühne. Wie immer seriös, wortgewand­t mit der nö- tigen Portion Arroganz. Anschließe­nd übernimmt Martin Semmelrogg­e den Part und garantiert, wie in vielen Vorstellun­gen zuvor, schlagfert­ig-grinsend mit dem Publikum zu spielen.

Und eines sei an dieser Stelle versproche­n: Weder du Mont noch Semmelrogg­e werden – im Gegensatz zu anderen Darstellen – am Ende Strapse tragen.

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FOTO: JENS HAUER In der Rocky Horror Show ist Hausdiener Riff Raff gar nicht so behäbig, wie er am Anfang scheint.

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