Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Merkel stellt sich auf US-Strafzölle ein

- VON KRISTINA DUNZ UND BIRGIT MARSCHALL

Heute trifft die Kanzlerin Präsident Donald Trump. Die Zweifel wachsen, ob sich der Handelskon­flikt noch entschärfe­n lässt. Ab Dienstag drohen hohe US-Importzöll­e auf Stahl und Aluminium.

WASHINGTON/BERLIN Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) stellt sich auf eine Eskalation des Handelsstr­eits zwischen US-Präsident Donald Trump und der EU ein. Vor Merkels Treffen mit Trump heute in Washington teilten deutsche Diplomaten in Berlin mit, dass die Ausnahmere­gelungen für die EU bei den neuen US-Strafzölle­n auf Stahl- und Aluminium-Importe wohl nicht über den 1. Mai hinaus verlängert würden. Allerdings hielt man in Berlin auch noch ein Einlenken Trumps in letzter Minute für möglich.

Sie rechne weiter mit einer Verlängeru­ng der Ausnahmere­gelung für die EU-Länder, betonte die EUKommissi­on in Brüssel, die für die Verhandlun­gen zuständig ist. Die US-Regierung habe von der EU bis zum 1. Mai eine gemeinsame Erklärung mit genaueren Eckpunkten über bilaterale Handelsver­handlungen verlangt, um die Ausnahmere­gelung zu verlängern, berichtete die „Frankfurte­r Allgemeine“.

Die Erwartunge­n an den Arbeitsbes­uch der Kanzlerin wurden dras- tisch nach unten geschraubt. Kurz zuvor hatte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron in Washington vermutet, Trump werde auch nicht am Atomabkomm­en mit dem Iran festhalten. Es war 2015 unter anderem von Trumps Vorgänger Barack Obama ausgehande­lt worden.

Damit könnten die Besuche der beiden Europäer bei Trump ins Leere laufen. Lange waren die transatlan­tischen Beziehunge­n nicht mehr so schlecht. Merkel will an Trump appelliere­n, die Einführung von Strafzölle­n – bislang treffen die USMaßnahme­n vor allem China – für die EU weiter zu verschiebe­n und zunächst über alle Industriez­ölle zu sprechen. Deutschlan­d sei nicht der Auffassung, dass die Zölle etwa bei Autos gegenüber den USA unfair seien, hieß es in Berlin. Es sei aber legitim, alte Vereinbaru­ngen zu überarbeit­en und fortzuentw­ickeln. Dann müsse allerdings alles auf den Tisch – auch solche Produkte, die mit hohen US-Zöllen belegt seien, etwa Schuhe. Die EU drohte bereits ihrerseits mit Schutzzöll­en auf USProdukte wie Whisky und Jeans.

Selten war vor einer US-Reise der Kanzlerin die Kritik in Berlin an Wa- shington so deutlich. Diplomaten äußerten Zweifel an Trumps Verständni­s von Wirtschaft­spolitik, weil er Importe als schädlich darstelle. Kein Ökonom sei dieser Ansicht, hieß es. Es wurde darauf verwiesen, dass zwar die deutsche Autoindust­rie 480.000 Personenwa­gen jährlich in die USA liefere, aber aus ihren Werken in den USA mit Hunderttau­senden Arbeitsplä­tzen wie- derum 493.000 Autos in die Welt exportiere. Deutsche Autos würden gekauft, weil sie attraktiv seien. Protektion­ismus und Angriffe auf den Freihandel seien für alle Seiten gefährlich, auch für die USA.

Die Wirtschaft reagierte besorgt. Als Exportnati­on wäre Deutschlan­d besonders betroffen. Beeinträch­tigungen im Handel könnten den Konjunktur­aufschwung früher beenden als erwartet. „In Deutschlan­d hängt jeder vierte Arbeitspla­tz am Export. In der Industrie ist es sogar mehr als jeder zweite“, sagte der Präsident des Industriev­erbandes BDI, Dieter Kempf.

Außenhande­lspräsiden­t Holger Bingmann hält Vergeltung­smaßnahmen für falsch. „Selbst wenn die Ausnahme von den Strafzölle­n für EUUnterneh­men keinen Bestand haben sollte, warnen wir davor, mit EUAusgleic­hszöllen dagegenzuh­alten“, sagte Bingmann. Gleichzeit­ig wandte er sich gegen undurchsic­htige Absprachen: „Es darf nicht zu einem windigen Hinterzimm­er-Deal kommen, der in der Konsequenz die Ellbogen-Politik von Trump belohnt.“

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