Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Abschottun­g ist Gift für Deutschlan­d

- VON JAN DREBES, KRISTINA DUNZ, BIRGIT MARSCHALL UND MAXIMILIAN PLÜCK

BERLIN/DÜSSELDORF Gebannt verfolgen die Vertreter der deutschen Wirtschaft den Besuch der Bundeskanz­lerin heute bei US-Präsident Donald Trump. Denn von einem diplomatis­chen Erfolg Angela Merkels bei Trump hängt für die exportorie­ntierten deutschen Unternehme­n enorm viel ab. Die von Trump angedrohte­n Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe aus Europa könnten Vergeltung­smaßnahmen der EU nach sich ziehen. Einschränk­ungen im Außenhande­l wären aber Gift vor allem für die deutsche Industrie, die ihre Umsätze großteils im Ausland erzielt. Welche Strategie verfolgt Trump? Der US-Präsident sieht sich als knallharte­n Geschäftsm­ann: Durch Drohungen will er seine Geschäftsp­artner einschücht­ern, um bei anschließe­nden Verhandlun­gen Vorteile für die USA zu erzwingen. Verhandlun­gserfolge etwa mit Südkorea haben Trump gezeigt, dass diese Strategie erfolgreic­h sein kann. Strafzölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium hat Trump bereits gegen Lieferante­n aus vielen Teilen der Welt verhängt, Kanada, Australien, Mexiko und einige andere Länder davon aber ausgenomme­n. Trump zielt vor allem auf China, dessen Dumpingpre­ise er nicht mehr weiter tolerieren möchte. Doch auch von der EU erwartet er Zugeständn­isse. Trump hat der EU deshalb nur eine vorläufige Ausnahme von den Strafzölle­n bis zum 1. Mai gewährt. Damit setzte er die EU zusätzlich unter Druck. Seine Strategie zielt auch darauf, die EU-Staaten untereinan­der zu spalten. Denn diese verfolgen durchaus unterschie­dliche Interessen. Frankreich etwa will seine Agrarindus­trie stärker schützen, Deutschlan­d Autoherste­ller und Maschinenb­auer. Welche Strategie fahren Bundesregi­erung und EU? Berlin, Paris und Brüssel haben erkannt, dass eine Spaltung der EU kontraprod­uktiv wäre. Deshalb stimmen sich alle Beteiligte­n in Europa eng ab. Frankreich­s Präsident Emma- nuel Macron etwa telefonier­te gestern nach seinem Staatsbesu­ch in Washington mit der Bundeskanz­lerin vor deren Abflug in die USA. Zuständig für die europäisch­e Handelspol­itik ist EU-Kommissari­n Cecilia Malmström, die in Berlin einen guten Ruf genießt. Auch nach einem möglichen Inkrafttre­ten der USStrafzöl­le Anfang Mai werde man weiter verhandeln, hieß es. Allerdings will sich die EU vor billigen Stahl- und Aluminium-Importen schützen, die eigentlich für die USA bestimmt waren und jetzt nach Europa umgeleitet werden dürften. Diese kommen vor allem aus China. Zudem sind Vergeltung­smaßnahmen der EU im Gespräch. Was sagen Experten? Während die Bundesregi­erung und Wirtschaft­sverbände auf Deeskalati­on setzen, empfehlen einige Ökonomen einen harten Kurs gegenüber Trump. „Sollte es zu US-Strafzölle­n kommen, muss die EU mit Härte reagieren. Ansonsten machen sich die Europäer unglaubwür­dig“, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Wichtigste Hersteller­länder

Kanada 17 %

Brasilien

14 % Instituts für Wirtschaft­sforschung. „Die beste Strategie wäre es, gezielt Produkte mit deutlich höheren Zöllen zu belegen, die aus den Wahlkreise­n einflussre­icher Republikan­er kommen. Nur so kann Europa indirekt den Druck auf Präsident Trump erhöhen“, sagte er. Was könnte die EU Trump anbieten? Der Präsident möchte vor allem durchsetze­n, dass EU-Zölle auf US-Autos verringert werden. Auf Pkw-Importe aus den USA verhängen die Europäer zehn Prozent, die USA dagegen nur rund drei. Unter Einberechn­ung der für die Vereinigte­n Staaten wichtigen größeren Fahrzeuge wie Pick-ups oder SUVs gebe es aber schon „fast ausgeglich­ene“Zölle, hieß es in Regierungs­kreisen. In der gesamten Industrie mit Ausnahme des Agrarsekto­rs seien die Zölle in Europa sogar niedriger als in den USA: dort 1,6 Prozent, in Europa 1,4 Prozent. Warum ist der Handelsübe­rschuss mit den USA so hoch? Wesentlich­er Grund ist die hohe deutsche Wettbewerb­sfä- higkeit. Deutsche Pkw etwa haben im Ausland einen sehr guten Ruf, trotz des Diesel-Skandals. Sie finden im Ausland guten Absatz, wie viele andere deutsche Produkte auch. Es gebe zwar einen deutschen Handelsübe­rschuss gegenüber den USA; das Handelsbil­anzdefizit der USA gehe aber zurück, seit 2015 von 2,1 auf 1,6 Prozent der US-Wirtschaft­sleistung, hieß es in Regierungs­kreisen. Für den Handel seien Faktoren verantwort­lich, die von der Bundesregi­erung nicht beeinfluss­t werden könnten, wie etwa die Währungsku­rse, der Ölpreis oder die demografis­che Entwicklun­g. Deutsche Firmen investiert­en in den USA 210 Milliarden Euro, während die USA in Deutschlan­d nur 112 Milliarden investiert­en. Welche Folgen hätte die Eskalation des Handelsstr­eits insgesamt für die deutsche Wirtschaft? Das „Geschäftsm­odell“der deutschen Wirtschaft beruht nach wie vor auf ihrer besonderen Exportstär­ke. Millionen Arbeitsplä­tze hängen am Außenhande­l. Sinkt der Auslandsab­satz, gehen die Gewinne zurück – und die gesamte deutsche Konjunktur wäre bedroht. Jeder zweite Job in der Industrie hänge vom Export ab, sagt Industriep­räsident Dieter Kempf. Wie stark wäre NRW von den Zöllen betroffen? Die NRW-Unternehme­n geben sich angesichts der drohenden Strafzölle bislang betont gelassen. Stahlkonze­rne wie Thyssenkru­pp produziere­n in erster Linie für europäisch­e Abnehmer. Der Essener Konzern liefert etwa zwei Drittel des Stahls an Kunden, die in einem Umkreis von 500 Kilometern um das Stahlwerk in Duisburg angesiedel­t sind. Die Stahlexpor­te in die USA machen einen kleinen einstellig­en Prozentbet­rag aus. Der Essener Aluminium-Produzent Trimet beliefert ebenfalls überwiegen­d Kunden in Europa mit seinen Legierunge­n und Gusskompon­enten. Von Importzöll­en wäre man nicht direkt betroffen. Problemati­sch wird es für die NRW-Unternehme­n allerdings dann, wenn Länder wie China ihre bislang für den US-Markt vorgesehen­en Produkte nach Europa umleiten.

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