Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Südkoreas Streit um Frieden

- VON FELIX LILL

Bei dem Gipfeltref­fen der beiden Korea-Staatschef­s heute könnte Historisch­es beschlosse­n werden. Das befürworte­n aber nicht alle.

SEOUL Mittlerwei­le überschlag­en sich die Ereignisse. Nordkorea werde seine Raketentes­ts sofort einstellen, hatte die staatliche Nachrichte­nagentur vergangene Woche gemeldet. Ein paar Tage später verkündete Südkorea, die Lautsprech­er in Grenznähe abzustelle­n, durch die der Norden mit Popmusik und Nachrichte­n aus dem Süden beschallt wird. Angesichts dieser Annäherung­en fragt man sich: Was kommt als nächstes? Und für welchen Durchbruch wird erst das Gipfeltref­fen sorgen, wenn schon im Vorfeld so viel passiert, was in den Jahren zuvor noch utopisch schien?

Wenn die Regierungs­chefs aus Nord- und Südkorea heute im südkoreani­schen Ort Panmunjom nahe Seoul zusammenko­mmen, ist es nach 2000 und 2007 erst das dritte Gipfeltref­fen zwischen den beiden überhaupt. Seit Ende des Koreakrieg­s 1953 wird es gar das erste Mal sein, dass ein nordkorean­ischer Staatschef südkoreani­schen Boden betritt. Und das alles passiert, kein halbes Jahr nachdem die USA mit Nordkorea Kriegsdroh­ungen austauscht­en, der Norden Raketen durch die Luft jagte und die Vereinten Nationen schwere Sanktionen gegen Pjöngjang beschlosse­n. Nun soll sogar über den Abschluss eines Friedensve­rtrags zwischen Nord und Süd gesprochen werden.

Auf der koreanisch­en Halbinsel bahnt sich dieser Tage Historisch­es an. Falls sich die beiden Länder, deren Einwohner über die meiste Zeit der Geschichte eine gemeinsame Regierung hatten, mit bindender Wirkung einander annähern, hätte dies auch globale Auswirkung­en. Garantiert­er Frieden in Korea hieße, dass zwischen den USA und China, die von 1950 bis 1953 beide am Koreakrieg mitgewirkt haben, ein Problem weniger stünde. Ebenso könnte sich Japan, das auf der Seite der USA steht und im Koreakrieg als Stützpunkt für den Süden diente, mit dem zerstritte­nen China weiter verständig­en. Vor allem aber könnten die Koreas davon profitiere­n – in Form erhöhter ökonomisch­er und politische­r Stabilität.

Aber wer denkt, dass sich deshalb alle auf den anstehende­n Gipfel freuen, hat sich getäuscht. Gerade in Südkorea spaltet dieses Thema das Land. Laut einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Realmeter im Februar heißen es nur sechs von zehn Südkoreane­rn gut, dass die Gipfelgesp­räche überhaupt stattfinde­n. Laut Demoskopie­institut Gallup Korea, vermuten zwei Drittel der Südkoreane­r, der Norden werde von seinem weltweit umstritten­en Nuklearpro­gramm – ein wichtiger Grund für die schlechten Beziehunge­n zwischen den beiden Ländern – ohnehin nicht abweichen. Eine weitere Umfrage im März zeigte, dass drei Viertel der unter 30-jährigen Südkoreane­r möglichen Zusagen des Regimes im Nor-

China den nicht trauen. Seit Jahren treibt die Frage, wie sich Südkorea gegenüber dem Norden positionie­ren sollte, die Menschen auf die Straße. Und manchmal zur Weißglut. Auch dieser Tage sind in Seoul protestier­ende Menschenan­sammlungen zu sehen, die entweder für einen Dialog mit dem Norden Stimmung machen – oder dagegen. „Kein anderes Thema polarisier­t so sehr wie diese nationale Frage“, sagt Eun-jeung Lee, Professori­n für Koreanisti­k an der Freien Univer-

Nordkorea Pjöngjang Panmunjom

Seoul Südkorea

Japan sität Berlin. Seit der Demokratis­ierung nach Militärdik­tatur in Südkorea ab 1987 ist der große Unterschie­d der zwei großen Parteien nicht etwa die soziale Frage nach Umverteilu­ng und Teilhabe. Vielmehr geht es immer wieder um Nordkorea: Während die Konservati­ven, die maßgeblich aus ehemaligen Unterstütz­ern des Militärreg­imes bestehen, jeden Dialog mit dem Norden ablehnen, suchen die Liberalen Annäherung durch Austausch. Die Fronten sind derart verhärtet, dass Liberale die Konservati­ven im Streit schnell als Apologeten der alten Diktatur verunglimp­fen, während Personen wie der liberale Präsident Moon Jae Iin in den Augen Konservati­ver verkappte Kommuniste­n sind.

Moon, der seit einem Jahr Präsident ist, ließ sich als Kandidat gern als Wiedervere­inigungspr­äsident bezeichnen. Mehrere Kandidaten beider Parteien haben schon in Aussicht gestellt, dass mit einer Präsidents­chaft unter ihrer Führung alles anders werde, vielleicht sogar die Wiedervere­inigung mit dem Norden nahe. Denn eine geeinte Nation wollen grundsätzl­ich alle, die Verfassung Nordkoreas sieht dies in Artikel 9 vor, jene des Südens in Artikel 4. In dieser grundsätzl­ichen Sache sind sich also auch die Konservati­ven und Liberalen in Südkorea einig. Über den Weg dorthin sind die Meinungen verschiede­n. Für formale Wiedervere­inigungsge­spräche verlangt der Norden, dass zuerst die USA ihre Militärprä­senz aus dem Süden abziehen. So eine Bedingung halten aber vor allem die Konservati­ven im Süden für inakzeptab­el, da der Norden sein Militär über Jahre aufgerüste­t hat und der Süden dann ohne die US-Streitkräf­te im klaren Nachteil wäre.

So versuchen sich die Liberalen um Präsident Moon in Verständig­ungspoliti­k: Vertrauen aufbauen, Schranken senken, ein Gesprächsk­lima schaffen. Die einmalige Möglichkei­t wurde bei den Olympische­n Winterspie­len im südkoreani­schen Pyeongchan­g im Februar genutzt. Kurzerhand liefen bei der Eröffnungs­feier alle koreanisch­en Athleten zusammen auf, im Eishockey der Frauen stellten sie ein gemeinsame­s Team. Unter der offizielle­n Delegation aus dem Norden befand sich auch Kim Yo Jong, die Schwester von Staatssche­f Kim Jong Un, die Südkoreas Präsiden Moon Jae In einen Brief mit der Gesprächse­inladung überreicht­e.

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