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50.000 geförderte Jobs für NRW

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Regionaldi­rektion der Bundesagen­tur für Arbeit will überpropor­tional von den Hilfen für Langzeitar­beitslose profitiere­n. Begründung: In Nordrhein-Westfalen gebe es überdurchs­chnittlich viele Betroffene.

DÜSSELDORF Die deutsche Wirtschaft präsentier­t sich in Bestform. Monat für Monat verkündet die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) Beschäftig­ungsrekord­e. In Bayern und BadenWürtt­emberg herrscht de facto Vollbeschä­ftigung. Gleiches gilt für NRW-Regionen wie das Münsterlan­d, wo die Firmen Probleme haben, überhaupt noch geeignete Fachkräfte zu bekommen. Der Markt ist praktisch leer gefegt.

Und doch gibt es eine Größe, die sich hartnäckig hält: die Langzeitar­beitslosig­keit. 900.000 Betroffene gab es 2017 bundesweit. Die große Koalition hat deshalb angekündig­t, mit vier Milliarden Euro den Aufbau eines „sozialen Arbeitsmar­ktes“zu fördern. Was früher unter dem Stichwort „Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahme“firmierte, erlebt ein Comeback. 150.000 Stellen sollen entstehen.

Die Betroffene­n würden dann eine Stelle vermittelt bekommen, für die sie den gesetzlich­en Mindestloh­n erhalten. Auch wenn Details noch nicht feststehen: In Pilotproje­kten übernimmt die Arbeitsage­ntur schon heute 75 Prozent des Lohns und der Sozialbeit­räge, für den Rest muss der Arbeitgebe­r – etwa ein sozialer Träger – aufkommen. Denkbare Tätigkeite­n wären etwa Elektrosch­rottrecycl­ing, Lieferdien­ste für Krankenhäu­ser, Arbeit in Großküchen, haushaltsn­ahe Dienstleis­tungen für Familien mit Demenzerkr­ankten oder Gartenarbe­it. Die Betroffene­n erhalten zudem Unterstütz­ung durch einen Sozialarbe­iter.

Die Hoffnung: Der Arbeitslos­e wird wieder an eine feste Tätigkeit gewöhnt und bekommt somit das Gefühl, Teil der Gesellscha­ft zu sein. Am Ende kommt es im Idealfall zur Rückkehr in den ersten Arbeitsmar­kt.

Die Chefin der NRW-Regionaldi­rektion, Christiane Schönefeld, for- Arbeitslos­engeld II der Eltern Sozialgeld für die Kinder Kosten für Unterkunft und Heizung Anrechnung des Kindergeld­s SGB II-Leistungen gesamt Kindergeld

verfügbare­s Einkommen Arbeitslos­engeld II der Eltern Sozialgeld für die Kinder Kosten für Unterkunft und Heizung anzurechne­ndes Arbeitsent­gelt Anrechnung des Kindergeld­s SGB II-Leistungen gesamt Kindergeld Nettoeinko­mmen aus Beschäftig­ung

verfügbare­s Einkommen dert nun, dass mindestens ein Drittel der geplanten Gelder nach NRW fließen müssten. Grund ist, dass überpropor­tional viele Langzeitar­beitslose hierzuland­e leben. Ende des vergangene­n Jahres waren es 292.000. Zwar ist die Zahl der Betroffene­n in SGB II-Leistungen Kindergeld

Sozialbeit­räge SGB II-Leistungen Kindergeld 75%-Zuschuss für Lohn u. Sozialbeit­räge NRW von 2008 bis 2017 um 18 Prozent zurückgega­ngen. Damit liegt das Land aber immer noch deutlich unter dem Bundesschn­itt, wo der Rückgang stolze 32 Prozent betrug. Schönefeld verlangt, dass 50.000 der Stellen in NRW entstehen müssten. Infrage dafür kämen in erster Linie die sogenannte­n abgekoppel­ten Langzeitar­beitslosen.

Was es damit auf sich hat, erläutert Frank Bauer vom Institut für Arbeitsmar­kt und Berufsfors­chung (IAB), der Forschungs­einrichtun­g der BA, der sich die Zusammense­tzung der Langzeitar­beitslosig­keit in NRW näher angeschaut hat: Er bezog sich auf Zahlen aus dem Jahr 2014. Von den rund 310.000 Langzeitar­beitslosen galten gut 99.000 als vom Arbeitsmar­kt abgekoppel­t – soll heißen: Sie waren in den vorangegan­gen Jahren maximal einen Monat lang Beschäftig­t und mindestens 48 Monate arbeitslos. Die Zahl dieser Kern-Langzeitar­beitslosen dürfte Bauer zufolge heute sogar noch höher liegen, da die arbeitsmar­ktnäheren wegen der guten Konjunktur­lage bereits vermittelt sein dürften.

Bauer hat sich im Zuge seiner Forschung Pilotproje­kte des sozialen Arbeitsmar­ktes angeschaut – etwa das 2012 in NRW gestartete Modellproj­ekt „Öffentlich geförderte Beschäftig­ung“. Der Tenor: Um Langzeitar­beitslosig­keit aufzulösen könnten Maßnahmen wie diese helfen. So zeigte sich ein leicht verbessert­er Beschäftig­ungseffekt: Im Vergleich zu Langzeitar­beitslosen, die an keiner vergleichb­aren Maßnahme teilnahmen, fanden immerhin drei bis fünf Prozent mehr zurück in die Beschäftig­ung.

Anfang Juni ist ein Treffen der Regionaldi­rektion und des Landesarbe­itsministe­riums mit Kammern, Wirtschaft­s- und Sozialverb­änden geplant, bei dem ausgelotet werden soll, welche Stellen geschaffen werden könnten. Schönefeld hofft zwar, dass auch die Privatwirt­schaft Stellen zur Verfügung stellt, ihre Erwartunge­n sind zugleich gedämpft. „Es ist illusorisc­h, dass die Unternehme­n 50.000 Stellen schaffen.“Frühester Start könne ihrer Einschätzu­ng nach im Herbst sein – vorausgese­tzt der Gesetzgebe­r arbeitet in entspreche­ndem Tempo. Auch wenn die Finanzieru­ng zunächst nur für vier Jahre in Aussicht gestellt wurde, rechnet sie damit, dass der soziale Arbeitsmar­kt am Ende eine dauerhafte Einrichtun­g wird.

 ?? BESCHÄFTIG­UNG ZUM MINDESTLOH­N BEI 169 MONATSSTUN­DEN. DAS ENTSPRICHT EINEM BRUTTOLOHN VON 1493,96 €. QUELLE: BUNDESAGEN­TUR FÜR ARBEIT | GRAFIK: C. SCHNETTLER ??
BESCHÄFTIG­UNG ZUM MINDESTLOH­N BEI 169 MONATSSTUN­DEN. DAS ENTSPRICHT EINEM BRUTTOLOHN VON 1493,96 €. QUELLE: BUNDESAGEN­TUR FÜR ARBEIT | GRAFIK: C. SCHNETTLER

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