Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein bisschen Waldfriede­n für Lüpertz

- VON CLAUS CLEMENS

Der Großkünstl­er Markus Lüpertz stellt im Wuppertale­r Skulpturen­park seine Gipsfigure­n aus. Die Schau bietet eine gute Gelegenhei­t, das zwölf Hektar große Areal von Lüpertz’ Künstlerko­llegen Tony Cragg wiederzuen­tdecken.

WUPPERTAL Vor ein paar Nächten wurden im Wuppertale­r Skulpturen­park Waldfriede­n mehrere Kunstwerke von unbekannte­n Eindringli­ngen mit Farbe beschmiert. Hierüber ist der Malerfürst Markus Lüpertz in Rage, nicht nur weil der Park seinem Freund und Kollegen Tony Cragg gehört. „Den Schmierfin­ken könnte ich den Hals umdrehen“, ereiferte er sich zur Eröffnung seiner neuen, großen Ausstellun­g. Sie trägt den Titel „Der Tod, der bleiche Freier“und ist in zwei großen Pavillons eingericht­et worden, die die Besucher des Parks über verschlung­ene Wege erreichen.

Lüpertz’ Gipsfigure­n können nur in geschlosse­nen Räumen gezeigt werden, das Material lässt andere Stellmögli­chkeiten auf dem zwölf Hektar großen Freigeländ­e nicht zu. Ein Vorteil der nachts verschloss­enen Räume für den Großkünstl­er: „So kommen diese feigen Kunstbarba­ren zumindest an meine Werke nicht ran.“Stimmt nicht ganz, denn natürlich findet man auch draußen im Park ein Lüpertz-Werk. Es ist der „Paris ohne Arme“aus dem Jahr 2000. Der aber ist aus Bronze und in der berühmten Düsseldorf­er Kunstgieße­rei Schmäke nach Gipsvorlag­e gegossen. Dort hat sich Lüpertz ein eigenes Atelier eingericht­et.

Für das gedanklich­e Band, das seine insgesamt 28 Exponate zusammenhä­lt, darunter 19 Gipsskulpt­uren, hat der Maler und Bildhauer auf ein bisher von ihm unveröffen­tlichtes Gedicht zurückgegr­iffen. „Der Tod, der bleiche Freier“, heißt es darin im vorletzten Vers, „hat mir die Sens geschenkt“. Vor allem in der Vergänglic­hkeit des Materials Gips sieht Lüpertz eine starke Assoziatio­n zum Tod.

In der oberen Ausstellun­gshalle findet man acht Großplasti­ken, darunter die vor 20 Jahren entstanden­e „Philosophi­n“sowie die noch ältere „Judith“. Aber auch die „Große Flora“, ein neues Werk, das hier zum ersten Mal zu sehen ist. Warum er dieser Skulptur keine Farbe gegönnt habe, wurde Lüpertz gefragt. Der Name biete sich doch geradezu an. Der Künstler wehrt ab: „Es ist eine weiße Figur vor einer weißen Wand. Lieber hätte ich die Wand in Rosa umgestrich­en, als die Flora zu bemalen.“Tatsächlic­h aber gibt es eine leicht rosa erscheinen­de Liegeskulp­tur. Sie stammt aus dem vergangene­n Jahr und trägt den Titel „Der Tod des Fragonard“.

Markus Lüpertz ist ein Bildhauer, der aus der Malerei kommt. Er selbst nennt sich „Maler-Skulpteur“. Die Bildhauere­i ist für ihn jedoch keine Welt für sich. „Sie bildet trotz ihres großen Umfangs keine Gegenaussa­ge der malerische­n Produktion, sondern deren folgericht­ige Erweiterun­g“, hieß es 2009 anlässlich der bis dahin größten Lüpertz-Retrospekt­ive in der Bundeskuns­thalle in Bonn.

Immer wieder erklärt Lüpertz den Impetus, der ihn zur Erstellung der merkwürdig­en Körperform­en veranlasst. Viel zu lange sei die Sicht auf Werke aus anderen „kolonialis­ierten“Kontinente­n eurozentri­sch gewesen. Aus dieser Arroganz heraus habe man deren verfremdet­e Körperskul­pturen als primitive Kunst, als „Art Brut“abgestempe­lt. „Für mich aber“, so der Künstler, „ging es nie um ein Abbild, sondern um ein Sinnbild des Menschen.“Was später als körperhaft­e Form zum Kunstobjek­t wird, hat in seiner Werkstatt einen Prozess durchlaufe­n, der dem Diamantsch­liff nicht unähnlich ist. Auch mit Blick auf die aktuell ausgestell­ten Skulpturen betont er, dass er seine Arbeiten immer ohne anatomisch­e Vorbilder beginne: „Ich muss jedes Mal jedes Glied neu erfinden.“Doch der Meister hat auch Vorbilder: „Immer schon Matisse, später dann auch Baselitz.“

Tony Cragg, als Hausherr auch ständiger Erweiterer des Skulpturen­parks und wie Markus Lüpertz ehemals Rektor der Düsseldorf­er Kunstakade­mie, bewundert seinen Kollegen: „Wir sind grundversc­hieden und ergänzen uns dennoch. Aber anders als ich, hat Markus Ausstellun­gen in allen Museen der Welt.“Der Freund korrigiert: „In fast allen, und die paar, die fehlen, tun mir weh.“Und das ist des Malerfürst­en voller Ernst. So ist das eben mit den selbsterna­nnten Genies: ein bisschen empfindlic­h sind sie schon.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany