Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Stolperstein gestohlen – Staatsschutz ermittelt
Rund drei Jahre lang erinnerte ein kleiner Stein mit gravierter Messingplatte an das Schicksal der Krefelder Jüdin Elisabeth Erdtmann. Jetzt ist der fest in der Erde an der Uerdinger Straße verankerte sogenannte Stolperstein über Nacht verschwunden. Der Staatsschutz ermittelt.
Einer von zwei Stolpersteinen an der Uerdinger Straße in Höhe der Philadelphiastraße vor der EngelApotheke ist über Nacht verschwunden. Ein Zeuge hat dies der Polizei gemeldet. Die Beamten gehen von einer politisch motivierten Straftat aus und haben Ermittlungen aufgenommen. Der Diebstahl fällt in eine Zeit neuer Sorge vor judenfeindlichen Umtrieben. Gerade erst sind viele Menschen in deutschen Großstädten auf die Straße gegangen, um gegen Antisemitis- den Tod 7.12.1938“Der Kölner Künstler Günter Demnig hat 1992 begonnen, Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus an deren früheren Wohn- oder Arbeitsstätten zu verlegen. Zum Stichtag 30. Juni 2017 hat Demig rund 61.000 Steine, nicht nur in Deutschland, sondern auch in 21 weiteren europäischen Ländern, in den öffentlichen Raum platziert.
Der entwendete Stolperstein ist dem Schicksal Elisabeth Erdtmanns gewidmet. Sie wurde 1893 in Darmstadt geboren und stammte aus der angesehenen jüdischen Familie Blumenthal, nach der noch heute in Darmstadt ein Stadtviertel benannt ist. Sie heiratete den aus Oberschlesien stammenden Apotheker Erich Erdtmann. Im Jahre 1913 kam das Ehepaar nach Krefeld, wo Erich Erdtmann die Engel-Apotheke übernommen hatte.
1918 kam die Tochter Helga zur Welt. Nach 1933 wurde der Ehemann zum überzeugten Nationalsozialisten. Er distanzierte sich von seiner Ehefrau, wollte sich ihres Vermögens wegen aber nicht von ihr trennen. Elisabeth Erdtmann wählte womöglich den Freitod und starb am 7. Dezember 1938.
Tochter Helga hieß später Anja Lundholm. Sie ging 1936 nach Berlin, wo sie an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik studierte. Als „Halbjüdin“verfolgt, floh sie 1941 nach Italien und schloss sich dort dem Widerstand an. Vom eigenen Vater denunziert, wurde sie von der Gestapo verhaftet und kam 1944 in das Konzentrationslager Ravensbrück.
Nach der Befreiung arbeitete sie als Dolmetscherin und Journalistin; ab den 1950-er Jahren verarbeitete sie ihre Lebensgeschichte in mehreren erfolgreichen Büchern. Vielfach geehrt, so im Jahre 2003 mit dem Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld, verstarb Anja Lundholm 2007 in Frankfurt am Main. Die Stolpersteine für die beiden Frauen wurden auf Initiative des Vereins Villa Merländer vor der Engel-Apotheke im Gehweg verankert. Gespendet hat diese beiden Steine das Ricarda-Huch-Gymnasium, weil Anja Lundholm Schülerin des Ricarda-Huch war. Über die Hintergründe des Verschwindens und den Diebstahl des Stolpersteins im Gedenken an Elisabeth Erdtmann ermittelt der polizeiliche Staatsschutz.