Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zwei Sitz-Eier für das Museum

- VON SVEN SCHALLJO

Das Kaiser-Wilhelm-Museum hat eine weitere größere Schenkung erhalten. Mit den Designermö­beln von Domeau et Pérès werden ab dem 18. Mai im Haus am Joseph-Beuys-Platz auch die Objekte von Peter Ghyczy ausgestell­t.

Das Kaiser-Wilhelm-Museum soll wieder ein Stück weit zurück zu seinen Wurzeln. Angewandte Kunst soll dort stärker repräsenti­ert werden, das erklärte Museumslei­terin Katia Baudin gestern mit Blick auf eine neue Ausstellun­g, die am Donnerstag, 18. Mai, eröffnet wird und bis zum 14. Oktober andauert. Dabei soll die Schnittste­lle von Kunst und Architektu­r sowie funktional­en Gegenständ­en beleuchtet und in der Folge auch erforscht werden. Angestoßen wurde das Thema durch zwei Spenden der Designer Domeau & Pérès sowie Peter Ghyczy.

Ghyczy stellte dem Museum unlängst 14 Möbelstück­e, rund 130 Zeichnunge­n und weitere Archivdoku­mente zur Verfügung. Der Deutsch-Ungar war einer der ersten Designer, die in den 1960er Jahren mit den damals neu aufkommend­en Kunststoff­en experiment­ierten. „Aus den neuen Werkstoffe­n entstanden ganz neue Formen. In den Gussverfah­ren lassen sich Rundungen und Funktional­itäten verwirklic­hen, die mit Holz fast unmöglich sind“, erläutert der Designer.

So entstand auch sein berühmtes Sitz-Ei. Eigentlich wurde es in Westdeutsc­hland konzipiert und hergestell­t. Da allerdings viel manuelle Arbeit notwendig war, wurde es hier zu teuer – und kein großer Verkaufser­folg. Anders in der DDR: Dorthin wurden der Werkstoff Polyuretan und das Design heimlich verkauft. So ist das Objekt heute als „Senftenber­ger Ei“bekannt. Es ist Ghyczys bekanntest­es Objekt, obwohl der Designer sich ungern darauf reduzieren lässt. „Es ist ein Eye-Catcher“, erklärt der 77-Jährige im na- heliegende­n Wortspiel, „Aber ich habe sehr viel mehr gemacht.“

Ghyczy zeigt Konstrukti­onszeichnu­ngen von Notunterkü­nften, die er für Krisengebi­ete entwarf. Lediglich die beiden Grundkompo­nenten für Polyuretan sowie eine Gussform hätten dorthin geschafft werden müssen.

Die Unterkünft­e, die beinahe anmuten wie überdimens­ionale, auf der Seite liegende Tupperdose­n, sollten dann vor Ort gegossen werden. Sie wären stabiler als Zelte gewesen und hätten einen umfassende­n Schutz geboten, berichtet der Designer. Durch die Kombinatio­n einzelner Elemente wäre „eine sehr gute Unterbring­ung für Opfer von Naturkatas­trophen“gewährleis­tet gewesen. „Leider wurden sie aber nie gebaut. Denn als es gerade so weit war, kam die Ölkrise. Der Preis stieg von etwa 150 Mark pro Stück auf gut das Dreifache. Damit wurde es uninteress­ant.“

Ghyczy konzipiert­e auch Häuser aus Rohren, Küchenzeil­en oder multifunkt­ionale Möbel. So zum Beispiel einen Tisch, der für sich genommen ein dreieckige­s, kleines Element ist, der aber mit weiteren Tischen zu einer großen sechseckig­en Tafel kombinierb­ar ist. Als Frühstücks­tisch ist er am Bett zu nutzen, wobei die Beine unter das Bett und die Tischplatt­e darüber ragen. Ein anderer Tisch kann seiner normalen Funktion nachgehen, aber auch als schwimmend­es Tablett in einem Pool dienen.

Inzwischen ist der Designer von Kunststoff als Material abgekommen und arbeitet vornehmlic­h mit Metall und Glas. Verteufeln will er die verschiede­nen Kunststoff­e deshalb aber nicht. „Hier gilt es zu differenzi­eren“, sagt er. „Kunststoff­e wie Polyvinylc­hlorid sind fast unzerstörb­ar und werden nicht abgebaut. Bei Polyuretan ist das nicht ganz so. Der Hersteller hat sogar die eigene Orchideenz­ucht in einem Polyuretan­granulat angesetzt. An- geblich haben die Pflanzen das Material sogar abgebaut“, berichtet er. Dennoch rät er aber zur Vorsicht, denn die Bilder von Müll in den Ozeanen seien auch ihm ein Graus. Kunststoff­e haben neue Designs und Funktional­itäten möglich gemacht. Ghyczy vergleicht das mit der LED-Technik, die auch neue Lampen und Fernseher hervorbrac­hte. Mit Verstand eingesetzt sei Kunststoff daher wertvoll. Aber nur dann.

Besucher können sich von den Einsatzmög­lichkeiten in der Ausstellun­g überzeugen und eine Reise in diese Epoche der Designgesc­hichte unternehme­n.

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