Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wie Sport und Politik um 225.000 Euro zanken
So viel stellt das Innenministerium für eine Athletenvertretung bereit. Die unabhängigen „Athleten Deutschland“sehen das Geld bei sich, der DOSB bei sich. Der Streit sagt viel aus über das vielschichtige Verhältnis von Politik und Dachverband.
DÜSSELDORF 341 Milliarden Euro will der Bund laut Haushaltsentwurf 2018 ausgeben. 225.000 Euro davon sind für eine Vertretung der Athleten im Leistungssport vorgesehen. Und um diese 0,000066 Prozent vom Gesamtetat ist ein Streit entbrannt. Der 2017 gegründete unabhängige Verein „Athleten Deutschland“mit Kanutin Silke Kassner und Säbelfechter Max Hartung an der Spitze möchten die Förderung aus dem Innenministerium (BMI) direkt erhalten, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sähe es lieber, wenn der Posten in seinen Etat flösse. Das BMI stellt sich eher auf die Seite des DOSB. Und so wird aus dem Streit um 225.000 Euro ein Vorfall, der bei genauerem Hinsehen viel aussagt über das komplexe Verhältnis von Politik und Dachverband.
„Ich argumentiere ungern gegen den Athletenverein“, sagte DOSBVorstandsvorsitzende Veronika Rücker im „Deutschlandfunk“. Sie halte eine unabhängige Interessenver- tretung der Athleten auch innerhalb der DOSB-Strukturen für möglich. Genau daran haben die Athletenvertreter gehörige Zweifel, deswegen riefen sie den unabhängigen Verein überhaupt ins Leben. In einem Brief an Rücker, der unserer Redaktion vorliegt und auch an weitere Protagonisten innerhalb der Sportförderung ging, fordert Har- tung dann auch konkrete Ideen, wie diese unabhängige Athletenvertretung im DOSB aussehen solle. „Wie könnte eine Konstruktion innerhalb der Strukturen des DOSB aussehen, die eine hundert prozentige Unabhängigkeit ermöglicht? Was soll ich den Athletinnen und Athleten sagen?“, schreibt Hartung.
Das BMI bemüht sich zumindest um interpretatorische Schwammigkeit. „Ich bin der Meinung, dass es vorzugswürdig wäre, wenn diese Athletenvertretung unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes stattfinden würde, aber wohl gemerkt mit einer weitreichenden und soweit wie möglich stattfindenden Unabhängigkeit“, sagte Stephan Mayer (CSU), im BMI für den Sport zuständiger Staatssekretär.
Dass BMI und DOSB in dieser Frage einer Meinung sind, verwundert viele Beobachter. Beide trugen schließlich den Zwist um die Finanzierung der angeschobenen Spitzensportreform unter dem früheren Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und seinem Abteilungsleiter Sport, Gerhard Böhm, oft genug öffentlich aus. Der DOSB wollte und will mehr Geld – statt knapp 170 Millionen Euro künftig 270 Millionen Euro jährlich – und entscheiden, wie er es ausgibt. Das De-Maizière/Böhm-BMI wollte die Hoheit über diese Steuergelder behalten.
Doch nun ist de Maizière weg, und Horst Seehofer (CSU) im Amt. Und Mayer habe sich unlängst für eine Ablösung Böhms ausgesprochen, schreibt Bianka SchreiberRietig in ihrem Blog „Sportspitze(n)“. Ende vergangener Woche machte dann die ARD einen Brief von DOSB-Präsident Alfons Hörmann an Seehofer vom 10. April publik, indem er drängt, man möge sich doch mal über die Leistungssportreform „im engsten Kreis dazu in aller Offenheit verständigen.“In der „derzeitigen Aufstellung“scheine eine Umsetzung, wie ursprünglich geplant, schlichtweg nicht machtbar, schreibt Hörmann. Und er, der früher für die CSU im Kreistag Oberallgäu saß, weist Seehofer darauf hin, die Entscheidungen im Bereich Wintersport würden ja auch die bevorstehende Landtagswahl in Bayern „nicht unwesentlich tangieren“. „Es ist die Rede von einer BAC – einer Bayern-Amigo-Connection“, schreibt Schreiber-Rietig über die Verbindung zwischen Hörmann und dem BMI.
In dieser Gemengelage finden sich die Athletenvertreter wieder. Und die Frage nach 225.000 Euro.