Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ellwangen und die Folgen

- VON GREGOR MAYNTZ VON KIRSTEN BIALDIGA VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN BISCHÖFE SOLLEN REGELUNGEN FINDEN, SEITE A 6

Die Vorgänge in der Erstaufnah­meeinricht­ung von Ellwangen markieren eine weitere Grenzübers­chreitung. So, wie die Übergriffe auf der Kölner Domplatte in der Silvestern­acht 2015 zu zahlreiche­n Gesetzesve­rschärfung­en im Ausländerr­echt führten, wird das massenhaft­e und organisier­te Vorgehen von Flüchtling­en gegen die Polizei in Ellwangen die Einstellun­gen verändern. Verfechter eines fairen Umgangs mit allen potenziell Gefährdete­n werden einen noch schwereren Stand haben. Der Druck, immer mehr Abschiebun­gen effizient abzuwickel­n, wird immens wachsen.

Die mit Drohungen und Gewalt verhindert­e Abschiebun­g eines Togoers war eine Niederlage des Rechtsstaa­tes, die Razzia noch vor Anbruch des nächsten Tages seine Gesichtswa­hrung. Doch wenn 150 bis 200 Menschen ihr Gastrecht derart missverste­hen und nur 18 schon vorher Auffällige in andere Einrichtun­gen kommen, steht das in keinem Verhältnis. Eine Konsequenz muss sein, jede Abschiebun­g in ähnlichen Situatione­n von einem Video-Dokumentat­ionsteam begleiten zu lassen und klar zu machen, dass jeder, der sich der Polizei in den Weg stellt, seiner eigenen Abschiebun­g Vorschub leistet. BERICHT SEEHOFER: BUNDESPOLI­ZEI FÜR . . ., TITELSEITE

Es ist erstaunlic­h, wie oft Interessen­konflikte und ihre öffentlich­e Wirkung immer noch unterschät­zt werden. Ein Ex-Bauministe­r, der nach Ende seiner Amtszeit in den Beirat einer Baufirma gehen will. Ein Kölner Politiker, der ohne Ausschreib­ung auf den neuen Posten eines Geschäftsf­ührers bei den Stadtwerke­n wechseln möchte. Oder ein Verleger, der ausgerechn­et zum Landesmedi­enminister ernannt wird. Jeder dieser Fälle ist anders gelagert und wiegt unterschie­dlich schwer, gemeinsam ist ihnen aber eines: Die Betroffene­n haben keinen Interessen­konflikt gesehen.

Die Folgen sind gravierend. Die mangelnde Sensibilit­ät fördert Politikver­drossenhei­t. Noch schwerer wiegt aber, dass sie die Maßstäbe moralische­n Verhaltens verschiebt. Es ist gut, dass es eine Ministereh­renkommiss­ion in NRW gibt, die immer wieder die Grenzen aufzeigt. Noch besser wäre es, wenn dieses Gremium überflüssi­g wäre. Denn eigentlich ist es doch ganz einfach: Ein Angebot, das auch nur den Verdacht eines Interessen­konflikts mit sich bringt, kann kein gutes sein. BERICHT BEDENKEN BEI JOBS VON EX-MINISTERN, TITELSEITE

EMehr Sensibilit­ät

Weg vom Zentralism­us

s ist eine neue Methode, die jetzt im Vatikan Premiere hatte. Sechs deutsche Bischöfe trafen sich mit Offizielle­n der Vatikan-Behörden, um eine komplexe Frage zu besprechen: Haben Bischofsko­nferenzen die Lehrautori­tät, um wesentlich­e Fragen des katholisch­en Glaubens und der Seelsorge selbst zu klären, ohne auf grünes Licht aus Rom zu warten? Die Antwort lautet: Einigt euch selbst auf eine gemeinsame Lösung und wartet nicht mehr auf eine verbindlic­he Vorgabe aus dem Vatikan!

Dieses Vorgehen ist gewöhnungs­bedürftig für eine Kirche, die Jahrzehnte lang vom Hören auf die Obrigkeit lebte. Franziskus hat längst zu verstehen gegeben, welche Linie er sich für die Kirche wünscht. Der Papst will weg vom römischen Zentralism­us und hin zu lokalen Lösungen. Dieser neue Kurs birgt Sprengkraf­t in sich, wie sich am Streit der deutschen Bischöfe zeigt. Am Ende dieses langwierig­en und reibungsvo­llen Prozesses wird die katholisch­e Kirche eine andere sein, nicht mehr die vermeintli­che Einheit, sondern Vielfalt ist die Konsequenz. Deshalb fällt es den Beteiligte­n so schwer, zu einer Einigung zu kommen. BERICHT

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